Wirtschaftslagebericht der Industrie- und Handelskammer (IHK): Steigende Energie- und Rohstoffpreise

Inflation und hohe Energiekosten: Zweifaches Übel

Geldsegen zur Weihnachtszeit? Weit gefehlt, in Bonn litt der Einzelhandel selbst in den Wochen vor den Feiertagen FOTO: BENJAMIN WESTHOFF

Wirtschaft und Verbraucher in Bonn und der Region traf es dieses Jahr gleich doppelt: Die Energiepreise explodierten, die hohe Inflation trieb die Preise in allen Lebensbereichen weiter nach oben. Wie geht es weiter?

Inflation und hohe Energiekosten: zwei Themen, die in diesem Jahr viel Unsicherheit schürten - und die zu allem Übel meist im selben Atemzug genannt wurden. Denn die in diesem Jahr stark erhöhte Inflation hat unmittelbar mit den gestiegenen Preisen für Energie zu tun. Ist Energie knapp und teuer, treibt das die Produktionskosten in die Höhe, sodass auch der Kunde im Supermarkt oder im Spielwarenladen draufzahlen muss. Die Folge: Sowohl in der Unternehmenswelt als auch unter Verbrauchern war die Stimmung in diesem Jahr gedämpft.

So zeugte der Wirtschaftslagebericht der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg im Herbst von düsteren Erwartungen örtlicher Betriebe. Besonders die steigenden Energie- und Rohstoffpreise bereiteten ihnen Sorgen, dazu kamen Inflation und steigende Arbeitskosten. Endverbraucher wiederum zeigten sich bei Einkäufen zurückhaltender. Selbst in der sonst so starken Vorweihnachtszeit lagen die Umsätze des regionalen Einzelhandels weit unter dem Durchschnitt des Vor-Pandemiejahres 2019, berichtete der Einzelhandelsverband Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen.

Und auch die Black-Friday-Rabattschlacht Ende November erfüllte die Erwartungen vieler Händler nicht. Die NRW-Landesregierung rief zwischenzeitlich für die Jahre 2022 und 2023 den finanziellen Notstand aus und nimmt nun fünf Milliarden Euro Schulden auf, um die Folgen der Inflation abzumildern.

Die Energiepreise stiegen bereits im Jahr 2021. Drei Faktoren wirkten in den vergangenen Monaten jedoch verstärkend: So erholten sich Unternehmen zusehends von den Folgen der Corona-Pandemie und produzierten wieder in größerem Umfang, was den Energiebedarf steigerte. Gleichzeitig blieben viele Lieferketten durch die Pandemie gestört, was Engpässe bei Energielieferungen verursachte, aber auch bei anderen Rohstoffen und Produkten. Und natürlich sorgte der russische Angriffskrieg auf die Ukraine für steigende Preise.

Dennoch sind die Gasspeicher derzeit so gut gefüllt wie seit Jahren nicht. Damit ist die Sorge vor einer Gasmangellage wohl erst einmal vom Tisch; umstellen mussten sich die Unternehmen wegen der steigenden Preise trotzdem. Gleichzeitig ist der Strom teurer geworden. Auch hier ist die gestiegene Nachfrage nach der Pandemie-Pause verantwortlich. Dazu kommt: Ein Teil des Stroms wird in Gaskraftwerken produziert. Da sich der Preis an der Strombörse immer an der teuersten Produktion orientiert - also der in Gaskraftwerken - ließ das die Preise weiter steigen. Im Herbst entspannte sich die Lage am Gas- und Strommarkt zwar vorübergehend, mit fallenden Temperaturen ziehen die Preise aber wieder an.

Die Gasspeicher sind so gut gefüllt wie seit Jahren nicht mehr

Die Versorger in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis haben ihre Preise bereits erhöht, der Wegfall der EEG-Umlage im Sommer verschaffte Strom- und Gaskunden dabei nur wenig Linderung. Je nach Tarifmodell flatterten Kostensteigerungen im zweistelligen Prozentbereich ins Haus. Zum neuen Jahr erhöhen viele Versorger nun auch den Grundversorgungstarif. Das ist just die Zeit, in der besonders viel Wärme gebraucht wird. Manch einer weiß nicht, ob er seine Energiekosten noch wird bezahlen können.

Auch Unternehmen ächzen unter den steigenden Energiepreisen. Viele versuchen, ihre Kosten an das nächste Glied in der Lieferkette abzuwälzen - das dann ebenfalls die Preise erhöht. Beispiel Glas: Das Weck-Werk in Bonn-Duisdorf, das die bekannten Einmachgläser herstellt, ist in seiner Produktion größtenteils auf Erdgas angewiesen. Die gestiegenen Kosten versucht das Unternehmen, an seine Abnehmer weiterzugeben, die Verkaufspreise sind bereits im zweistelligen Bereich gestiegen, wie das Unternehmen dem GA berichtete. Abnehmer von Glasprodukten wiederum sind mit hohen Preisaufschlägen bei Glasflaschen konfrontiert, etwa der Bonner Eierlikör-Hersteller Verpoorten oder der Craftbier-Hersteller Ale-Mania. Auch sie haben daraufhin die Preise für Endkunden erhöht.

Verbraucher trifft die wirtschaftliche Krisensituation damit besonders hart. Im November zahlten sie in NRW im Schnitt mehr als zehn Prozent mehr für Nahrung, Kleidung, Wohnung und Freizeitausgaben als im Vorjahresmonat. Manche Produkte sind gar nicht oder nur mit langen Wartezeiten erhältlich. Zuletzt gab es immer wieder Lieferengpässe bei Medikamenten wie Fiebersaft für Kinder und verschiedenen Antibiotika. Denn auch auf Pharmaunternehmen lastet derzeit ein hoher Kostendruck, zeigt ein GA-Bericht. Sie greifen deswegen auf günstigere Produkte aus Asien zurück - die wegen gestörter Lieferketten verspätet hier ankommen.

Inflationsbedingt werden auch Versicherungen kostspieliger. Denn da Reparaturen etwa am Auto oder in der Wohnung teurer werden, verlangen Versicherer mehr Geld für ihre Leistungen. In der Folge sinkt die Konsumlaune bei Verbrauchern, sie kaufen vermehrt in Discountern wie Aldi und Lidl ein. Finanziell schwach aufgestellte Haushalte können beim Einkauf aber oft nicht noch weiter nach unten ausweichen. Die Folge: Immer mehr Menschen müssen sich im kommenden Jahr überschulden, wie eine aktuelle Prognose der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zeigt.

Abhilfe schaffen sollen mehrere Maßnahmen der Ampel-Koalition. Über die Dezember-Soforthilfe übernimmt der Bund die Rechnungen für Gas- und Fernwärmekunden in diesem Monat. Im folgenden Jahr greift dann die Gas- und Strompreisbremse: Für den März (und rückwirkend für Januar und Februar) werden Gas- und Strompreis gedeckelt. Die Preisbremse soll außerdem die Inflation in Schach halten. Und auch hiesige Arbeitgeber wollen ihre Beschäftigten entlasten. So zahlten viele die sogenannte Inflationsausgleichprämie, einen steuer- und abgabenfreien Betrag von bis zu 3000 Euro pro Mitarbeiter. Die Stadt Bonn will ihren Mitarbeitern zinslose Darlehen anbieten, sollten sie angesichts hoher Strom- und Gaskosten ihre Rechnungen nicht begleichen können. Dazu kommen kleine Gesten: Die Landesregierung kündigte an, Sportvereine als „,,Ort der sozialen Teilhabe" im Winter offenzuhalten und Betroffene finanziell zu unterstützen.

Im Bundesetat für das Jahr 2023 sind zudem mehrere Entlastungen vorgesehen, unter anderem gibt es Zuschüsse zu Heizkosten für Bedürftige, und das Kindergeld für besonders von der Inflation betroffene Familien steigt auf 250 Euro monatlich pro Kind. Hartz IV wird durch das Bürgergeld mit höheren Leistungssätzen ersetzt. Auch werden die Inflationsfolgen bei der Einkommensteuer ausgeglichen, der Staat verzichtet hier auf Einnahmen von 18,6 Milliarden Euro. Gleichzeitig steigt der Grundfreibetrag, die Einkommensgrenze also, bis zu der Arbeitnehmer keine Steuern zahlen müssen.

Als Reaktion auf die hohe Inflation sind auch die Notenbanken aktiv geworden. Seit Sommer erhöhen sie sukzessive die Leitzinssätze, aktuell liegt der wichtigste der Europäischen Zentralbank (EZB) bei 2,5 Prozent. Für den Immobilienmarkt sind die höheren Zinsen ein zweischneidiges Schwert. Zum einen bedeutet das für Kaufinteressenten eine enorme Mehrbelastung: Denn sie müssen nicht nur die zum Teil extremen Haus- und Wohnungspreise einkalkulieren, sondern nun auch hohe Zinsen für Kredite zahlen. Die Zinssätze für Immobilienkredite haben sich im Vergleich zum Vorjahr zum Teil vervierfacht. Für viele Menschen platzt damit der Traum vom Eigenheim.

Verbraucher zahlen zehn Prozent mehr für Kleidung und Essen

Gleichzeitig zeigt sich abseits der Metropolen eine Entwicklung, die vorsichtigen Optimismus zulässt. So berichten Immobilienkäufer, dass im Rhein-Sieg-Kreis die Preise für Häuser fallen und Verkäufer immer häufiger bereit sind, über den Preis zu verhandeln - was auf dem überhitzten Häusermarkt bis dato undenkbar schien. Vor allem Objekte, die nicht dem allerneuesten Standard entsprechen, sind angesichts der nachlassenden Kaufkraft offenbar weniger nachgefragt. Hier wandle sich der Verkäufermarkt langsam in einen Käufermarkt um, sagte ein örtlicher Immobilienexperte dem GA, auch die verhassten Bietverfahren seien kaum noch möglich. In der Stadt Bonn ist dieser Trend freilich noch nicht angekommen: Hier ist das Wohnangebot angesichts der ungebrochen hohen Nachfrage schlicht zu knapp.