Über Zinsen, sinnvolle Geldanlagen und die Flaute auf dem Immobilienmarkt

Finanzexperte Harald Preckel aus Sankt Augustin: "Marktumfeld ist schwieriger geworden"

Harald Preckel ist Finanzberater mit Sitz in Sankt Augustin. FOTO: PRECKEL

Wir leben in unsicheren Zeiten. Erst die Corona-Pandemie, dann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine-vieles ist nicht mehr, wie wir es noch vor einigen Jahren zu kennen glaubten. Das gilt auch für die Geldsicherheit. Das Internetportal vergleich.de hat den Kaufkraftverlust von 100 000 Euro bei einer Inflation von 8,7 Prozent berechnet. Demnach sind nach einem Jahr nur noch 91 996 Euro übrig, nach fünf Jahren sind es 65 895 Euro und nach zehn Jahren 43 421 Euro. Der richtige Umgang mit dem Geld ist also entscheidend- auch für die Haushaltskasse vieler Familien, die vorausplanen wollen und müssen. Jörg Wild hat den Finanzberater Harald Preckel aus Sankt Augustin dazu befragt.

Kann man sich heute noch beruhigt Geld leihen, wenn man gar nicht weiß, wohin die Zinsen sich entwickeln?

Harald Preckel:
In der Tat, wohin sich die Zinsen entwickeln, bleibt schwer prognostizierbar. Im Hinblick auf die Inflation und die erfolgten und angekündigten Reaktionen der EZB (Europäischen Zentralbank), diese zu drücken, werden wir wohl auf nicht absehbare Zeit mit weiter steigenden Zinsen rechnen müssen. Wenngleich nicht in dem Maße wie im Jahr 2022, als die Zinsen innerhalb weniger Monate nach oben gesprungen sind. Die Anstiege werden voraussichtlich moderat, aber stetig sein. Wichtig: Bei einer Baufinanzierung liegen die Zinsen für zehn Jahre fest aktuell noch um die vier Prozent, also immer noch günstigin langfristiger Betrachtung. Die Zeiten einer ,,0" vor dem Komma scheinen aber vorbei. Zum Jahresende ist auch eine „,5" vor dem Komma vorstellbar. Wer sich heute Geld leiht, hat den Zinssatz zunächst für eine Weile fest. Je nach Kreditform unterschiedlich lang. Zwar sind längere Zinsbindungen wie 15 oder 20 Jahre im Zins etwas höher, geben aber deutlich mehr Sicherheit vor dann steigenden Zinsen. Hier sollten auf jeden Fall immer verschiedene Konzepte gegenübergestellt und die Chancen und Risiken abgewogen werden.

Die Zinsen für Kredite steigen. Sind Immobilien damit keine sinnvollen Geldanlagen mehr? 

Preckel:
Immobilien haben sich immer durch den Faktor Sicherheit ausgezeichnet, damit nie durch hohe Renditen. Wer in Betongold investiert, hat - bei angemessenem Kaufpreis, guter Lage und entsprechender Objektqualität – einen sicheren und sicher auch zukünftig nachgefragten Vermögenswert. Der Bedarf, gerade nach Wohnimmobilien, ist weiter ungemein hoch. Es wird weiter zu wenig gebaut, damit die Angebotslücke geschlossen wird. Das hält die Preise hoch, wie auch die zurzeit herrschenden hohen Baukosten aufgrund der Lieferengpässe. Und eine Entspannung ist aufgrund Baulandmangel, hohen Bauauflagen etc. nicht in Sicht. Wer also eine langfristige und sichere Anlage sucht, kann meines Erachtens weiter mit Immobilien, auch als Beimischung zu anderen Vermögenswerten, sinnvoll Vermögen halten bzw. aufbauen. Die Zeiten, in denen alles zu jedem Preis gekauft wurde, sind vorbei.

Was raten sie Kunden, die mit einem größeren Geldwunsch auf Sie zukommen?

Preckel:
Das sind meist Menschen, die sich eine Immobilie kaufen möchten. Oft die größte finanzielle Investition im Leben. Diese muss natürlich in erster Linie zum Budget passen, also zum regelmäßigen Einkommen, aber auch zu bestehenden Ausgaben, wie auch zum vorhandenen Vermögen beziehungsweise weiteren Verbindlichkeiten. Hier sollte sich jeder selbst ehrlich ein Bild seiner heutigen, aber auch zukünftigen Situation machen und sich fragen: Schaffe ich das auf eine lange Dauer? Es sollte dabei immer ein Puffer vorhanden bleiben, im Einkommen und/oder auf der Vermögensseite. Denn ändern sich das Einkommen und/oder die Ausgaben unerwartet, sollte das keine Schieflage nach sich ziehen. Es kann immer mal etwas kaputt gehen, teurer werden, das kennt jeder aus seinem Leben und es darf nicht beim Traum zur eigenen Immobilie ausgeblendet werden. Und wie schon erwähnt muss die Finanzierung über die gesamte Laufzeit, also bis zur vollständigen Rückzahlung, betrachtet werden. Nur die erste Zinsbindung zu nehmen, wäre ein großer Fehler, der sogar zum Verlust der Immobilie führen kann. Denn ist die Anschlussrate durch zum Beispiel weiter steigende Zinsen nicht mehr tragbar, muss das Objekt im schlimmsten Fall verkauft werden.

"Die Finanzierung muss über die gesamte Laufzeit, also bis zur vollständigen Rückzahlung, betrachtet werden"

Vor einigen Jahren war die Situation noch viel schwieriger, und die Leute haben trotzdem gekauft. Woran liegt die Zurückhaltung heute?

Preckel: Stimmt, auch bei noch höheren Zinsen haben Menschen gekauft, finanziert und sind am Ende damit gut gefahren. Ein Fakt dazu am Rande: Viele Immobilieneigentümer verfügen im Alter über höheres sonstiges Vermögen als Mieter. Sparsamkeit für das eigene Haus erzieht Menschen offensichtlich, auch später mehr zur Seite zu legen. Natürlich sind es die schon erwähnten noch hohen Kaufpreise, die insbesondere aufgrund der niedrigen Zinsen in den letzten Jahren so stark gestiegen sind. Hier müssen Verkäufer vielleicht noch den Lernprozess durchlaufen, dass Preise nicht immer nur steigen, sondern auch sinken können. Ohne eine Erschwinglichkeit auf der Käuferseite werden die Preise nachgeben müssen. Auch das wird zu einer Belebung der Nachfrage führen, wann immer das auch sein wird. Wenn dann die Käufer noch verstehen, die Zinsen sind zurzeit zwar nicht mehr so ,billig" wie Anfang 2022, aber immer noch günstig und nicht ,,teuer", wird das Entscheidungen auch sicher in Richtung Kaufen beeinflussen.

Der Wohnungs- und Häusermarkt scheint ziemlich leer gefegt zu sein. Haben die Leute sich inzwischen alle eine Bleibe gekauft, oder warten die Besitzer auf, bessere Zeiten"? 

Preckel: Das Angebot hat zumindest im Bereich Neubau extrem nachgelassen. Aber nicht, weil alle schon ein Zuhause gefunden hätten. Bauherren wie Bauträger sind mit hohen Baukosten überfordert und es bestehen weiterhin Engpässe bei Baustoffen beziehungsweise ein sehr hohes Preisniveau. Wenn sich hier die Lieferketten wieder einschwingen und die Preise sich auf niedrigerem Niveau stabilisieren, wird es hier bestimmt einen Neustart geben. Viele haben zumindest aktuell ihre Planungen auf Eis gelegt.

"Die Bundesbank sieht die Preise immer noch um 20 bis 30 Prozent zu hoch. Das ist bei üblichen Kaufpreisen schon eine Menge Geld"

Beim Bestand ist die Nachfrage ebenfalls zurückgegangen. Die Verkäufer hadern mit sinkenden Preisen, werden sich aber anpassen oder noch niedrigere Preise akzeptieren müssen. So sieht die Bundesbankin einer vor kurzem erschienen Mitteilung die Preise immer noch um 20 bis 30 Prozent zu hoch. Das ist bei üblichen Kaufpreisen schon eine Menge Geld.

Es scheint so, als ob zurzeit vor allem Häuser und Wohnungen auf den Markt kommen, die über ein Immobilien-Verrentungssystem belegt sind. Das ist für Menschen, die eine Bleibe für sich selbst suchen, ein schwieriges Investment, oder?

Preckel: Das Verrentungssystem ist sicher eine Möglichkeit, aber einen nennenswerten Marktanteil nehme ich nicht wahr. Auch vor dem Hintergrund, dass sofern eine Finanzierung für einen solchen Erwerb notwendig wäre -, ein Finanzierungsinstitut eine Absicherung für ihr Darlehen im Grundbuch an erster Stelle verlangen und ein Wohnrecht zur Absicherung der Alteigentümer und Nutzer nicht vorlassen würde. Das bedeutet aber für die Verkäufer eine in der Regel zu große Unsicherheit im Verwertungsfall und wäre ihnen nicht zu empfehlen.

Hingegen drängen professionelle Anbieter auf den Markt, die Eigentümern Objekte abkaufen und sie darin wohnen lassen. Aber das Interesse hält sich auch hier sehr in Grenzen. Die Produkte sind sehr komplex, und jüngst hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sogar vor dem Teilverkauf von Immobilien gewarnt.

Ansonsten ist es in der Tat so: Was nützt mir ein Eigentum, welches ich gern selbst nutzen möchte und nicht kann, wenn die Voreigentümer noch eine unbestimmte Zeit selbst darin wohnen dürfen?

Könnte man sagen, dass Ihre Branche in der Krise ist, wenn immer weniger Leute nach einer Beratung bzw. Vermittlung fragen?

Preckel:
Eine Krise würde ich persönlich das nicht nennen wollen, aber das Marktumfeld ist definitiv schwieriger geworden. So mussten Banken und Vermittler seit dem zweiten Halbjahr 2022 einen immensen Markteinbruch hinnehmen. Die Nachfrage ist zeitweise um bis zu 80 Prozent eingebrochen. Große Vertriebe haben daraufhin Gewinnwarnungen oder Entlassungen angekündigt. Prognosen sehen voraus, dass der Markt kleiner wird, weil einfach weniger Menschen kaufen wollen oder können bzw. Finanzinstitute die Darlehen nicht mehr darstellen können oder wollen.

Eine neutrale und professionelle Beratung, die schon immer wichtig war, wird dafür noch mehr in den Fokus rücken. Der Spezialist, ungebunden an Vorgaben einer Vertriebsorganisation, wird also sogar Anteile gewinnen können. Denn heute ist nicht mehr nur die Frage nach dem niedrigsten Zins oder der schnellsten Umsetzung im Vordergrund. Es geht - und das ist gut so - wieder mehr um Machbarkeit und Stabilität der Finanzierung oder kurz: eine verlässliche Lösung. Hier gilt der Slogan: Konzeption vor Kondition! Dazu braucht es neben fundiertem Fachwissen eine Menge (Lebens-)Erfahrung. Das lernt man nicht in der Schule, sondern nur in der täglichen Praxis.

Auch Modernisierungsdarlehen sind mehr denn je gefragt. Photovoltaikanlagen sind zum Beispiel immens beliebt zurzeit, können sie doch die recht hohen Energiekosten senken. Aber nicht jeder hat hier die Mittel liquide auf dem Konto und benötigt dazu einen Kredit. Und auch hier lohnt der Vergleich von Angeboten.

Riskieren Sie mal einen Blick nach vorne. Wenn ich jetzt nicht unbedingt kaufen muss: Sollte ich den Schritt dennoch wagen?

Preckel:
Die Kaufpreise haben sicher Luft nach unten. Aber das Angebot steigt nicht wirklich, zumal auch so wenig neu gebaut wird und auch Erben lieber Immobilien als Anlagen halten als zu veräußern. Wer also nun ein geeignetes Objekt gefunden hat, sollte vielleicht nicht zu sehr und lange spekulieren.

klug-finanziert.de


Tipps für Online-Buchungen

Wer seine Reise online bucht, sollte nicht einfach nur das Häkchen unter die AGB setzen

Den Flug buchen, das Mietauto reservieren, die Ferienwohnung aussuchen: Wer im Internet eine Reise bucht, stößt irgendwann immer auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Diese Bedingungen sollte man vor dem Abschluss durchaus anschauen.

Es kann sogar sein, dass mehrere AGBs gleichzeitig gelten, erklärt das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland (EVZ). Etwa dann, wenn Sie ein Ferienhaus in Italien über ein deutsches Online-Portal buchen. Und wer ist zuständig, falls es ein Problem gibt? Das kommt laut Alexander Wahl, Jurist beim EVZ, darauf an, worum es konkret geht. Fehler bei der Vermittlung betreffen zum Beispiel das Portal, Mängel am Ferienhaus dagegen den italienischen Vermieter. Aber oft ist die Zuordnung nicht so einfach. Tipp des Experten: ,,Wenden Sie sich im Zweifel an beide Stellen."

Zudem kann es passieren, dass ein Reiseanbieter später den Vertrag einseitig an manchen Stellen ändert. Das ist eigentlich verboten, geschieht nach Angaben des EVZ aber doch immer wieder. Tipp: Speichern Sie die AGB bei Vertragsabschluss auf dem Computer ab. So haben Sie bei möglichen Streitigkeiten später einen Nachweis. ,,Es gelten immer die Bedingungen von dem Zeitpunkt, wo ich den Vertrag abgeschlossen habe", sagt Alexander Wahl. Das Durchsetzen dieser Rechte ist allerdings nicht immer so einfach. So läuft es nach Angaben des Experten oft auf ein Gerichtsverfahren hinaus. Umso besser, wenn die AGB schriftlich vorliegen. Verbraucher können sich in solchen Fällen auch an das EVZ wenden.

Um mögliche Probleme von vornherein auszuschließen, sollten sich Buchende die AGB vor dem Setzen des Häkchens durchlesen - zumindest die Passagen, die im Streitfall relevant sein könnten. dpa