Spannende Handwerksberufe mit Tradition und Zukunft vorgestellt von unserer Autorin Astrid Hillebrand

Gesundheit, Körperpflege, Schönheit

<b>Ein Friseur oder eine Friseurin braucht Einfühlungsvermögen und ein Gespür für Kundenwünsche.</b>FOTO: GETTY IMAGES/KZENON

Friseur: Kopfarbeit
Auch wenn das Einstiegsgehalt mit 585 Euro im 1. Ausbildungsjahr und 790 Euro zum Ende der Ausbildung nicht gerade üppig ist, gehört der Friseur doch seit Jahren zu den beliebtesten Handwerksberufen mit dem meisten Spaß an der Arbeit. Die besteht neben Föhnen, Färben und Frisieren nicht nur im professionellen Umgang mit der Schere, sondern beginnt häufig mit der vorherigen Beratung des Kunden. Dafür sollte man über Einfühlungsvermögen und ein gutes Gespür für dessen Wünsche verfügen. Nach der Beratung kann gezeigt werden, was in der dreijährigen Ausbildung, die sowohl in der Berufsschule als auch im Ausbildungsbetrieb stattfindet, schon gelernt wurde: Haar- und Kopfhautpflege, Haare tönen, färben und dauerhaft umformen, Styling von Augenbrauen und Gesichts Make-up. Keine Sorge, all das wird vorher ausgiebig geübt, etwa an Modellköpfen, die nichts übel nehmen oder an lebenden Modellen, denen es nichts ausmacht, wenn Anfänger etwas kräftiger zupfen, länger brauchen oder nicht gleich jede Strähne akkurat sitzt.

Außer Arbeiten direkt am Mensch ist auch betriebswirtschaftliches Wissen wie Organisationstalent und Lagerhaltung gefragt, etwa bei Kundenterminen, der Materialbeschaffung von Haarpflegeprodukten und Färbemitteln sowie deren Verkauf. Klassischer Arbeitsort der rund 73 500 Friseurinnen und Friseure in Deutschland ist immer noch der Salon. Dieser ist immer auch noch ein klein wenig die Flucht aus dem Alltag in die Welt der Schönheit mit Haarspezialisten als kreativen Künstlern und Trendsettern und ein wenig dem Reiz des Neuen. Dieser zeigt sich nicht nur auf dem Kopf des glücklich neugestylten Kunden, sondern auch in moderner Technik und umweltschonender Haarfarbe. Da werden plastikfreie Umhänge aus Eukalyptus eingesetzt, Alufreie Strähnchenfolie verwendet oder diese recycelt, mit Shampoo und Pflegemittel aus Naturprodukten gewaschen und mit Henna, gemahlenen Walnussschalen oder Kamillenextrakt gefärbt.

Trotzdem sollte man keine besonders empfindliche Haut haben, denn im täglichen Umgang mit Wasser kann diese trotz Schutzhandschuhen usw. schnell allergisch reagieren und das Arbeiten erschweren. Zur selbstverständlichen Arbeitsroutine gehört nach Verabschieden des Kunden auch das Zusammenfegen der geschnittenen Haare sowie das Aufräumen des Schnittplatzes. Ganz im Trend der Zeit liegt auch die digitale Frisurenberatung, bei der die perfekte Frisur vor dem Schnitt und der farblichen Veränderung per App auf einem Bildschirm visualisiert werden kann.

Augenoptiker: Klare Sicht
,,Der Mensch ist ein Augentier", lautet ein Sprichwort und tatsächlich gilt das Sehen als für unsere bewusste Wahrnehmung wichtigste Sinn. Fast jeder, der aufgefordert wird, etwas zu beschreiben, versucht, Gesehenes in Worte zu fassen - nicht etwa in Gerüche. Das handwerkliche Wissen für dieses so wichtige Sinnesorgan vereint sich im Beruf des Augenoptikers, der sowohl Feinmechaniker, Messtechniker, Mediziner und Kundenberater in einer Person ist. Hat meine Sehkraft sich verändert? Sitzt die Brille noch? Kommen Kontaktlinsen in Frage? Diese und ähnliche Sätze hören Augenoptikerinnen und Augenoptiker jeden Tag. Häufig wird dann zunächst ein Sehtest durchgeführt, bei dem mittels Autorefraktometer und Sehprobentafeln festgestellt wird, ob und welche Brille benötigt wird. Hier erweist sich der Optiker als versierter Techniker, der physikalisches Wissen hat und die Funktionsweise moderner High-Tech-Maschinen kennt. Später sind bei der Fertigung oder Reparatur der Brille handwerkliches Geschick und Fingerspitzengefühl vonnöten, denn die Glasrohlinge mit den speziellen Kundenstärken werden mithilfe von Präzisionsgeräten zunächst geschliffen und anschließend per Hand in der Fassung fixiert. Sitzt eine Brille nicht mehr richtig, wird diese kontrolliert und vorsichtig mithilfe einer Feinmechaniker-Zange zurecht gebogen oder mit einem speziellen Föhn erhitzt, um das Gestell noch biegsamer zu machen.

Hörakustiker, in der Fachsprache Audiologen,
sind mit ihrer Expertise und Empathie
oft die Retter in der Not

Direkter Körperkontakt zum Menschen ist hierbei unerlässlich. Gleiches gilt auch für das Anpassen von Kontaktlinsen, wenn das Einsetzen ins und das Herausnehmen aus dem Auge mit dem Kunden oder der Kundin direkt geübt werden. Keine Sorge, all das lernt man während der dreijährigen Ausbildungszeit in der Berufsschule in Theorie und Praxis, die deshalb auch eigene Werkstätten haben, in denen die handwerklichen Tätigkeiten wie Schleifen, Feilen, Schmirgeln und Polieren gelernt werden. Auch das Reparieren von Brillen steht außer allgemeinbildenden Fächern auf dem Stundenplan. Neben den handwerklichen und gesundheitlichen Aspekten spielt die Beratung eine große Rolle. Heutzutage ist eine Brille für die meisten von uns nicht allein eine Sehhilfe sondern Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Hier unterstützen Optikerinnen und Optiker bei der Findung der richtigen Form, Farbe und des Materials. Gläser, die sich automatisch tönen, biegsame Gestelle aus Titan, die nicht brechen können oder trendige Brillen im Retrolook beweisen, dass der traditionelle Beruf des Optikers in der Moderne angekommen ist.

Hörakustiker: Ganz Ohr
Hörakustiker, in der Fachsprache Audiologen, sind oft die Retter in der Not. Bei ersten Anzeichen einer Hörminderung sind sie erste Anlaufstelle. Zuerst wird ein kostenloser Hörtest durchgeführt, um überhaupt festzustellen, ob es sich um eine Hörminderung handelt. Dann wird die individuelle Hörsituation analysiert und die passende Hörhilfe angepasst. Vom ersten Gespräch bis hin zur Feineinstellung und Wartung ist der Hörakustiker - neben dem HNO-Arzt - begleitender Experte und Helfer. Angehörige dieses Handwerks sind einerseits Psychologen, denn der Hörgeräteträger sollte sich im Geschäft gut aufgehoben und verstanden fühlen. Der Kauf eines Hörgerätes ist oftmals Vertrauenssache und nicht mit dem Gang in den Supermarkt vergleichbar. Andererseits sind Hörakustiker wahre Fachfrauen und -männer, digital unterwegs und handwerklich geschickt, werden mithilfe moderner Computer-Software Audiogramme erstellt, Messungen ausgewertet und - hier kommt Handwerkskunst ans Ohr - eine Ohrabformung für das spezielle Ohrpassstück erstellt. Solche Otoplastiken werden dann für den optimalen Sitz und Klang im Ohr individuell angefertigt und später mit dem Hörgerät kombiniert. Hört sich kompliziert an? Übung macht auch hier den Meister, denn während der dreijährigen Ausbildung steht man in der Schule regelmäßig - ausgestattet mit Handschuhen, Atemschutz und Schutzbrille - in einer Übungswerkstatt: 3-D-Abbildungen des äußeren Ohres werden hergestellt, Fräs- und Bohrtechniken erlernt, Feinanpassungen von Hörgeräten oder Kontrollmessungen geübt. Wer diesen Beruf ergreift, sollte dementsprechend Perfektionist sein und keine Scheu vor präzisem Arbeiten haben. Die Anforderungen sind hoch, das Gehalt schon während der Ausbildung jedoch auch: von anfangs 900 Euro verdient man zum Schluss oftmals bis 1100 Euro. Zukunftssorgen kennt dieser Beruf nicht.

<b>Als Meister im Hörakustiker-Handwerk ..Bachelor Professional" führen. darf man gleichzeitig die Bezeichnung<br/></b><i>FOTO: BUNDESINNUNG DER HÖRAKUSTIKER/ OLAF MALZAHN</i>
Als Meister im Hörakustiker-Handwerk ..Bachelor Professional" führen. darf man gleichzeitig die Bezeichnung
FOTO: BUNDESINNUNG DER HÖRAKUSTIKER/ OLAF MALZAHN

Modist: Hut ab
Früher wurden die Handwerker dieser Zunft Putzmacher genannt und das trifft es auch sehr gut, beschäftigt man sich hier doch mit dem Kopfputz. Modistinnen und Modisten entwerfen, fertigen und gestalten Hüte und Kopfbedeckungen aller Art: das kann der universell einsetzbare Panamahut ebenso sein wie ein edles Stück zur Hochzeit oder ein wagenradgroßer Blumenhut für die Theaterrequisite. Die weitaus meisten Arbeitsplätze in diesem Bereich gibt es in Betrieben der handwerklichen Hutherstellung, häufig wird aber auch in den Kostüm- und Hutmachereien von Theater- und Opernproduktionen oder für Filmstudios gearbeitet. Modistinnen und Modisten dürfen sich zurecht als Exoten fühlen: im Jahr 2013 gab es in ganz Deutschland lediglich 48 von ihnen, alle weiblich. In Nordrhein-Westfalen, wo die Ausbildung drei Jahre dauert und blockweise mehrmals im Jahr für einige Wochen der Berufsschulunterricht besucht werden muss, ist der Versammlungsort für angehende Modistinnen und Modisten Essen. Während in der schulischen

Ausbildung neben allgemeinbildenden Fächern Modellplanung oder Gestaltung und Konstruktion gelernt wird, kommt es in der praktischen Ausbildung im Betrieb auf geschickte Finger, unempfindliche Hände und sogar Muskelkraft an. Gestartet wird mit einer eigenen Skizze oder einer vorgegebenen Vorlage, dann wird am Rohmaterial, dem Hutstumpen aus Filz gearbeitet was das Zeug hält: mit heißem Dampf aus der Dampfglocke und viel Kraft wird der spätere Hut über eine Holzschablone gezogen, mit einer Schnur in Form gebracht und über Nacht getrocknet. Jetzt kommt der kreative Teil der Arbeit, wenn mit Nadel und Faden zahlreiche Verschönerungen angebracht werden. Das können nach Kundenwunsch Vogelfedern sein, üppige Blumenbouquets oder eigene Kreationen. Um sich mit seinem eigenen Atelier selbstständig zu machen, gibt es in diesem Fall die Möglichkeiten, die das sogenannte zulassungsfreie Handwerk bietet: die Existenzgründung ohne Meistertitel. Diese muss allerdings unverzüglich der Handwerkskammer gemeldet werden, um in eines der Verzeichnisse eingetragen zu werden. Coco Chanel, die Modeikone, hat schließlich auch klein angefangen mit ihrem ersten Hutatelier in (na ja) Paris.

Uhrmacher: Am Puls der Zeit
Uhrmacher wird sich manch einer denken - gibt es die denn heute noch? Ja, Uhren werden seit Jahrhunderten konstruiert, gehen ebenso lange kaputt und werden repariert. Mindestens ebenso lange gibt es den Beruf des Uhrmachers und ganz aktuell bietet eine bekannte Luxusuhrenmarke in Köln fünf freie Ausbildungsplätze zum Sommer 2023 an. Wer sich für diese Ausbildung bewerben möchte, braucht neben guten Kenntnissen in Physik besonders viel Fingerspitzengefühl, Liebe zum Detail und vor allem Geduld. Oft können Stunden vergehen, bis eine Uhr wieder richtig tickt. Die fundierte dreijährige Ausbildung zu Uhrmacherin oder Uhrmacher beginnt in der Werkstatt meist mit einfacheren Aufgaben wie Batterien austauschen, Armbänder wechseln oder Gehäuse reinigen. So wird schnell der Umgang mit Werkzeugen und Werkstoffen wie Fetten und Klebstoffen gelernt, aber auch das für diesen Beruf unerlässliche Arbeiten mit dem Mikroskop. Neben dem Alltag in der Berufsschule, wo auch die kaufmännischen Grundfertigkeiten auf der Tagesordnung stehen, gibt es schon im ersten Lehrjahr einen Höhepunkt, wenn die erste eigene Pendeluhr fertiggestellt wird. Uhrmacherinnen und Uhrmacher beschäftigen sich aber nicht nur mit den bekannten Exemplaren von Armbanduhren, es geht auch um großformatige Wanduhren, ausgefallene Taschenuhren oder hochmoderne Taucheruhren. In der weiteren Ausbildung werden demzufolge auch die Aufgaben einerseits immer komplexer andererseits jedoch detaillierter: Maschinengravuren werden hergestellt und Gleichstromkreise gemessen.

Komplizierte Räderwerke oder der Tausch
und die Überholung mechanischer Uhrwerke
sind schon bald kein Problem mehr

Wichtiger Ausbildungsinhalt ist der Aufbau einer Quarzuhr. Komplizierte Räderwerke oder der Tausch und die Überholung mechanischer Uhrwerke sind schon bald kein Problem mehr. Und während viele Menschen gar nicht wissen, was ein Chronograph ist, können ausgebildete Uhrmacherinnen und Uhrmacher die Technik dahinter selbstverständlich erklären und sogar reparieren.

Zahntechniker: In aller Munde
Bei diesem Beruf ist alles neu. Erst am 1. August 2022 ist eine neue Ausbildungsverordnung in Kraft getreten, die letzte war von 1997. In den vergangenen 25 Jahren ist dementsprechend viel passiert in der Zahntechnik: waren es früher Materialien wie Elfenbein, Horn oder Golddraht, die verwendet wurden, sind es heute Kunststoff, Keramik und Titan. Zahnersatz, Brücken, Teilo- der Vollprothesen werden von Zahntechnikerinnen und Zahntechnikern mittlerweile mit unterschiedlichsten neuen Technologien, Verfahren und Werkstoffen hergestellt. Künstliche Gebisse, einzelne Zähne - alles, was Zahnärztin oder Zahnarzt nicht mehr natürlich wiederherstellen kann, wird von Zahntechnikerin und Zahntechniker angefertigt. Häufige enge Absprachen mit dem entsprechenden Mediziner sind die Regel, weshalb medizinische Fachbegriffe wie Approximalflächen oder Immediatprothese keine Fremdwörter sein sollten. Wissen, das im Fachkundeunterricht in der Berufsschule ebenso vermittelt wird, wie die umweltgerechte Entsorgung des anfallenden Altmaterials, die Anatomie des menschlichen Kiefers und später die Möglichkeiten von Rekonstruktionsmaßnahmen bei Zahnverlust. Handwerkliches Geschick und Fertigkeiten zeigen sich beim Umgang mit dem ersten Übungsmaterial Gips, etwa werden mit einem Vakuummischgerät und einem Rüttler anhand einer Schablone Gipsabdruckmodelle geformt. In einer weiteren Übungseinheit wird Zahnstein an Zahnspangen mit einem Sandstrahler entfernt.

Am Ende der Ausbildung weiß jeder und jede auch, was Artikulatoren sind und was sie machen. Wichtig zu wissen ist dabei, dass so gut wie nie am Mensch gearbeitet wird, denn die individuellen Abdrücke nimmt im gesamten Behandlungsverlauf der Mediziner, der sie dann an Zahntechnikerinnen und Zahntechniker weitergibt. Für diesen Beruf sollte man über ein hohes Maß an Perfektionismus verfügen und viel Geduld haben, denn nicht nur die Dritten" müssen sorgfältig nach Vorlage angefertigt werden und haargenau passen. Eine Neuanfertigung würde schließlich viel Geld und Zeit kosten. Organisationstalent, um Aufträge entsprechend zu priorisieren und technisches Verständnis, etwa beim Löten oder Schweißen, sind ebenfalls gefragt. Den Beruf des „Zahnkünstlers", wie man sie früher nannte, gibt es übrigens schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Heute und in Zukunft hat sich der Tätigkeitsbereich jedoch immer mehr ins Digitale verlagert.