Auch der Bonner Markt für Büro- und Gewerbeimmobilien geriet in den vergangenen beiden Jahren in den Sog gleich mehrerer weltpolitischer Ereignisse: Zunächst stellte Anfang 2020 die Corona-Pandemie das Zusammenleben der Menschheit auf den Kopf. Im Windschatten dieser Krise setzten im vergangenen Jahr Baustoffkrise und Materialengpässe der Immobilienwirtschaft zu. Hinzukam, dass Ende 2021 die Zinsen schier unaufhörlich zu steigen begannen. Doch damit nicht genug: Ende Februar dieses Jahres folgte der Überfall Russlands auf den Nachbarn Ukraine - und sorgte für lange nicht mehr gekannte Inflationsraten getrieben von geradezu explodierenden Energiepreisen. Die große Frage, die sich nun aber stellt: Welche Folgen hat diese Zeitenwende, wie es Experten und Expertinnen formulieren, für den Immobilienmarkt? Hat die Nachfrage nach Büro- und Gewerbeimmobilien unter den Multi-Krisen gelitten, gar die Attraktivität der Bundesstadt insgesamt?
Nein, findet Wirtschaftsförderin Victoria Appelbe (Stadt Bonn): "Es war während der beiden Corona-Jahre äußerst hilfreich, dass sich Bonn weiterhin quasi als Deutschlands zweites politisches Zentrum stabilisieren konnte." Sie verweist als Beleg für die Einschätzung auf die starke Nachfrage der Bundesbehörden und -ministerien in Sachen Büroimmobilien. Ebenso der Uni Bonn, einer der größten Arbeitgeber in Bonn. "Das stützt uns hier am Standort sehr", betont Victoria Appelbe: "Schließlich ist Bonn wegen des großen Anteils öffentlicher Dienstleistungen nicht so dynamisch wie andere Standorte." Der Bund sei laut Appelbe "ein sehr starker Nachfrager". Genau dieses Element sei auch während der letzten beiden Jahre "sehr prägend gewesen".
Das beurteilt der auf Büroimmobilien spezialisierte Makler Hendrik Heßlenberg (Larbig & Mortag Immobilien) ähnlich: "Die Vermietungsleistung war hier in Bonn auch in den Zeiten der Multi-Krisen immer sehr hoch." Die Bonner Region sei gerade im Vergleich zu anderen Städten "ein absolut guter und krisenresistenter Büromarkt". Laut des Immobilienexperten hätten etwa Büromärkte wie in Düsseldorf und Frankfurt aufgrund ihrer Mieterschaft in der Pandemie sehr zu kämpfen gehabt: "Dort war die Abnahme an Büroflächen im Vergleich zu Vor-Krisenzeiten sehr gering", führt er aus.
Anders in Bonn. Das ist aus Sicht von Heßlenberg - wobei er die Einschätzung von Victoria Appelbe teilt - insbesondere den Bundesbehörden und -einrichtungen geschuldet. "Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) war mit rund 60 bis 70 Prozent der mietvertraglich vereinbarten Flächen eine der größten Abnehmerinnen." Zudem hätten aber auch noch Unternehmen aus der privaten Wirtschaft Flächen abgenommen. Für weitere Bewegung auf dem Büromarkt habe die Fertigstellung des Vorzeige-Neubaus am Bundeskanzlerplatz gesorgt sowie der Zuzug von CONET aus Hennef: "Das findet nicht allzu häufig statt, dass Unternehmen nach Bonn kommen", unterstreicht Hendrik Heßlenberg. (Anmerkung der Redaktion: Der Umzug der Dohle-Gruppe (HIT) war zum Zeitpunkt des Gespräches noch nicht öffentlich bekannt.)
Wirtschaftsförderin
"Die CONET-Fläche konnte zum Teil dadurch geschaffen werden, weil die zur Deutschen Bank gehörende Postbank ihren Bedarf gesenkt hat", ergänzt Wirtschaftsförderin Victoria Appelbe. Genau diese Problematik registrierte der städtische Immobilienservice beinahe täglich: "Die Kräne drehen sich zwar, und es wird viel gebaut. Aber wir wissen bereits vorher, dass es eine Vollvermietung bei den entstehenden neuen Bürobauten gibt und es kaum Bewegungsspielraum und freie und kurzfristig verfügbare Flächen gibt." Aber für viele Unternehmen, die auch gerne in Bonn aktiv sein würden, müsse genau dieser Zeitpunkt X klar sein, nämlich bis wann freie Flächen verfügbar seien.
Auch wenn der Bonner Büromarkt bislang vergleichsweise gut durch die Zeitenwende gekommen ist, hinterfragt Hendrik Heßlenberg einen aus seiner Sicht zentralen Punkt kritisch: Nämlich wie es mit der BIMA als Motor des Bonner Büroimmobilienmarktes weitergeht. Heßlenberg stellt nämlich fest: "Dieses Jahr wurden nicht viele neue Flächengesuche angestoßen." Die Bundesbehörde sei zwar immer noch Hauptabnehmer von Büroraum, aber das resultiere aus alten Anfragen. "Mit ein weiterer der größten Abnehmer war die Uni Bonn, die neben dem durch die Sanierung des Haupthauses entstehenden Flächenbedarfs auch durch den Exzellenzstatus und damit verbundene Förderungen ganz gut gesegnet ist und neue Professuren an Land zieht, die Mietflächen benötigen", hält er fest.
Guido Dörrenberg (Sparkasse Köln-Bonn) schaut eher hoffnungsvoll in die Zukunft. Sicherlich sei die BImA ein Marktmotor, wie auch der Blick nach Köln zeige: "Dort hat die Bundesanstalt einiges an Büroflächen angemietet und so dafür gesorgt, dass sich der Markt besonders positiv entwickelt hat." Es sei ein "sehr konstanter, attraktiver Markt" entstanden. Das ändere aber nichts an einer weitgehend stabilen Marktsituation in Bonn: "Vor dem Ukraine-Krieg hätten wir noch darüber diskutiert, welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf Büroimmobilien hat und ob sich aus ihr zukünftige Leerstände ergeben", so Guido Dörrenberg. Mancher hätte sogar über den Leerzug von Büros spekuliert. "Aber all das ist nicht eingetreten, und es wird auch nicht eintreten", zeigt er sich überzeugt: "Die Pandemie und die Effekte daraus haben einen neuen, veränderten Blick auf die Gebäude- und Flächenstrukturen geschärft." Für Dörrenberg wird für die Zukunft entscheidend sein, ob Projektentwickler mit der Umsetzung von Projekten anfangen, oder ob sie abwarten. Er hat dazu eine klare Meinung: "Neue, attraktive Unternehmen können nur nach Bonn kommen, wenn geeignete Flächen vorhanden sind, und das ausreichenden, modernen Flächen in dienlicher Frist." Denn fast kein Unternehmen würde mit mehrjährigem Vorlauf in der aktuellen Situation großflächige Mietverträge unterschreiben.
von Axel Vogel