Für Experten zählt die Leerstandsquote zu den aussagekräftigsten Parametern für einen florierenden Büromarkt. Aber in Bonn lag diese in der Vergangenheit auf einem relativ konstant niedrigen Niveau, derzeit bei rund zweieinhalb Prozent. Zu gering, aus Sicht von Bankexperte Guido Dörrenberg (Sparkasse Köln-Bonn): „Mein Wunsch ist durchaus provokant: Ich würde mir zwei Prozent mehr Leerstandsquote wünschen. Weil die derzeitigen 2,5 Prozent genau besehen kein echter Leerstand sind, das ist quasi Vollvermietung.“
Anders ausgedrückt würden 2,5 Prozent Leerstand nämlich bedeuten, so Dörrenberg weiter, dass darunter Flächen sind, die ohnehin nicht vermietbar seien: „Erst wenn da wieder eine gewisse Masse vorhanden ist, werden auch Flächen frei. Mit den 2,5 Prozent Leerstand kommen wir nicht weiter." Daher müsse wieder ,,mutiger gebaut und Leerstand provoziert werden", rät der Bankkaufmann: „Mit verfügbaren Flächen in Verbindung mit der starken Wirtschaftsregion, dem Freizeitwert und den Möglichkeiten dieser Stadt sind wir wieder ein attraktiver Ort für Unternehmen, um sich hier anzusiedeln."
Recht bekommt der von Hendrik Immobilienmakler Heßlenberg (Larbig & Mortag Immobilien): ,,Die Leerstandsquote ist zu kritisch“, betont er: ,,Die muss einfach ansteigen, denn aktuell gleicht die Flächensuche für die Suchenden, die nicht warten können, eher einer Art Wettrennen",erklärt er: „Die Konkurrenz auf Mieterseite um Neubauten ist einfach zu groß." Diese Konkurrenz und das Tempo bei der Vermittlung sei aber nicht immer förderlich, denn das gehe auf Kosten der Beratung und gründlicher Vorbereitung. Hinzukommt aus Heßlenbergs Sicht noch ein weiterer Aspekt: ,,Aus Mangel an freien Flächen können wir unseren Kunden häufig auch keine vergleichbaren Alternativen anbieten, sondern eben nur eine geringe Anzahl an einzelnen Projekten und Standorten." Er wünscht sich daher, dass der Leerstand sich erholt und anwächst: ,,Das geht nur mit Neubauflächen, die ohne Vorvermietungsquote entwickelt werden können. Diese Vorstellung beißt sich aber derzeit mit der durch die Multikrise wachsende Unsicherheit des Marktes."
Larbig & Mortag Immobilien
Nach Einschätzung von Torsten Hamm (Greif & Contzen) stellt sich die Gemengelage in der Tat ,,sehr komplex" dar: ,,Die Leerstandsquote ist durch die jahrelange Boomphase deutschlandweit stetig gesunken und in Bonn immer sehr gering gewesen", sagt Hamm. „Aktuell liegt sie gerade mal bei 2,5 Prozent bei den Büroflächen." Und es sei immer das Problem in den letzten Jahren gewesen, dass gerade Nutzer mit größerem Flächenbedarf wenig Möglichkeiten gehabt hätten, das im Bestand zu lösen. ,,Meistens brauchen sie die Projektentwicklung und damit den Neubau, wo sie dann in passgenaue Flächen hineinkönnen", führt Torsten Hamm aus. ,,Dazu muss aber genug zeitlicher Vorlauf da sein."
Ob die niedrige Leerstandsquote für den Wirtschaftsstandort Bonn ein Problem ist, hatte der General-Anzeiger erst im August auf seiner Immobilienseite thematisiert und dazu die Stadt Bonn gefragt: „Die Leerstandsquote ist in den letzten Jahren relativ konstant auf niedrigem Niveau, insofern ist das keine neue Entwicklung", führte dazu Andrea Schulte vom Presseamt der Stadt aus. Schulte verweist auf eine entsprechende Tabelle, die etwa für das Jahr 2012 bereits eine Leerstandsquote von nur knapp über drei Prozent ausweist, genau 3,38. 2018 lag demnach die Quote sogar bei nur 1,54 Prozent. „Einerseits spricht der geringe Leerstand für die Attraktivität des Bonner Immobilienmarktes, andererseits fehlt es Ansiedlungsinteressenten bei der Nachfrage nach Immobilien in bestimmten Größenklassen an Auswahlmöglichkeiten“, führt Schulte aus.
Weitere Neubauten auf den Weg zu bringen, um die Leerstandsquote zu verringern, scheint derzeit aber ein schwieriges Unterfangen. ,,Der Entwickler hat die Baukosten, die in den letzten zwei Jahren durch die Decke gegangen sind. Jetzt sind zudem noch die Zinsen gestiegen", betont Torsten Hamm. ,,Es fällt daher im Moment sehr schwer, Preise in den Verhandlungen mit Generalunternehmern festzulegen und dann mit dem Mieter im Mietvertrag, der drei bis vier Jahre vor dem Bezugstermin des Objektes abgeschlossen werden soll, verbindlich zu vereinbaren."
Das Problem sei aber, dass der Mieter am Ende genau diese Preissicherheit brauche: ,,Die Wenigsten sind bereit, ins Risiko zu gehen und zu sagen: Ich werde quasi Projektpartner des Projektentwicklers und wir schreiben einen Basispreis fest, der wird aber weiter fortgeschrieben, bis dann in zwei Jahren die Bauleistungen an den Generalunternehmer vergeben werden können." Hamms Fazit: „Es gibt große Fragezeichen, was die Preissicherheit angeht. Und das heißt, dass man Vorvermietungen braucht." Nur wenige Investoren werden heute einfach ins Risiko bauen.
In dem Zusammenhang rät Hamms Kollege Thorsten Neugebauer (Greif & Contzen) allerdings auch zu einem Blick über die Bonner Region hinaus: ,,Im Vergleich mit anderen deutschen Städten ist eine Stadt wie Bonn immer noch auf einem guten Fundament." Sicherlich habe man es in der Bundesstadt mit einer niedrigen Leerstandsquote zu tun. „Aber es gab auch eine Stabilität in der Mietenentwicklung, die Düsseldorf oder Frankfurt nicht hatten, wo es immer eine sehr starke Volatilität gab. Darum sagt Neugebauer unterm Strich: ,,Wenn sich diese Unsicherheiten im makro-ökonomischen Umfeld auflösen, kann man ganz optimistisch nach vorne blicken, weil man einfach eine solide Basis hat."
Zur Frage wie sich der Büromarkt insgesamt in Bonn im Vergleich zu anderen Rheinmetropolen wie Köln und Düsseldorf, präsentiert, hatte das Presseamt bereits bei früherer Gelegenheit darauf hingewiesen, dass die Bundesstadt Bonn ,,mit mehr als 4 Millionen Quadratmetern an Büroflächen zu den 10 größten Büromärkten in Deutschland" gehört.
VON AXEL VOGEL