Wie sich das Niveau künftig entwickelt, ist für Investoren und Projektentwickler die spannende Frage

Dramatische Wende bei den Zinsen

Die Europäische Zentralbank (EZB) leuchtet im letzten Licht des Tages. FOTO: BORIS ROESSLER/DPA

VON AXEL VOGEL

Investmentexperten wie Thorsten Neugebauer (Greif & Contzen) beobachten auf dem Immobilienmarkt ebenfalls eine Art Trendwende, und zwar in Sachen Preisentwicklung: „Wir haben die letzten acht Jahre eine Rallye in Sachen Verkaufspreise erlebt", bilanziert er. Doch die stetige Preisrallye habe durch die Umkehr der Zinspolitik ein jähes Ende erfahren. Als Ursache hat er viele Effekte ausgemacht, aber ein ganz zentraler sei sicherlich die Inflation, so Thorsten Neugebauer weiter: ,,Die wurde in einem größeren Zusammenhang auch durch den Ukraine-Krieg befeuert."

Aktuell lässt sich von einer Trendwende sprechen: „Es ist jetzt ein Zinsniveau erreicht, das sich innerhalb der letzten acht Monate dramatisch umgekehrt hat", betont Neugebauer. Diese Entwicklung habe denn auch rasch Folgen gezeitigt: ,,Auf der Investorenseite herrscht jetzt natürlich Zurückhaltung vor. Schließlich wird in Zeiten der Unsicherheit eine Investitionsentscheidung häufig zurückgestellt", erklärt Neugebauer. Auf mittlere Sicht bleibt für den Experten die entscheidende Frage: „Wie wird sich das Zinsumfeld entwickeln?" Denn für jeden Projektentwickler sei der Verkaufserlös ein erheblicher Einflussfaktor: ,,Die Zinsen wirken sich unmittelbar auf die Verkaufsvervielfältiger aus", rechnet Neugebauer vor. ,,Damit steht und fällt eine erfolgreiche Projektentwicklung."

..Auf der Investorenseite herrscht jetzt natürlich Zurückhaltung vor. Schließlich wird in Zeiten der Unsicherheit eine Investitionsentscheidung häufig zurückgestellt"
Thorsten Neugebauer (Greif & Contzen)

Daher konzentriert sich derweil die Aufmerksamkeit laut Thorsten Neugebauer auf den spannenden Aspekt, wo und wie sich die Marktpreise einpendeln werden. Er verweist auf die USA: Dort könnte die US-Notenbank im nächsten Jahr in eine wenig strengere Zinspolitik umschwenken. In Europa sei man aber von der Europäischen Zentralbank (EZB) abhängig: "Die Hoffnung besteht, dass im nächsten Jahr auch die EZB keine weiteren Zinserhöhungen durchsetzen muss."

Projektentwicklerin Frederike Krinn (Landmarken AG) weist noch auf einen weiteren Aspekt in dem Zusammenhang hin: ,,Viele Projekte wurden in der Zeit eingekauft, in denen das Niedrigzinsniveau regiert hat." Wie Investoren mit dem Anstieg auf das jetzige Zinsniveau dennoch eine gewisse Rentabilität erzielen können, gleicht nach ihrem Dafürhalten dem viel zitierten Blick in die Glaskugel". „Aber wenn wir davon ausgehen, dass das Zinsniveau so hoch bleibt, sind solche Immobilienprojekte, die mit einem niedrigen Zinsniveau kalkuliert wurden, schwerlich zu realisieren, ohne dass signifikant die Mieten anziehen." Die spannende Frage sei nun, was das mit dem Markt mache, so Krinn weiter: ,,Denn im Umkehrschluss lässt das eigentlich nur zwei Schlussfolgerungen zu. Nämlich, dass der Bestand in einem ganz anderen Maß noch mal in den Fokus gerät und Neubauflächen, die in der Niedrigzinszeit eingekauft wurden, noch mal deutlich teurer werden müssen.“ Für die Projektentwicklerin ist es geradezu ,,historisch, dass wir ganz viele Stellschrauben haben, die die Wirtschaft beeinflussen." Dazu zählt sie neben der Corona-Krise und dem Ukraine-Krieg eben auch den besagten Zinsanstieg. ,,Wir wissen nicht, was noch kommt. Aber das so viele Entwicklungen auf einen Schlag zusammentreffen, habe ich nicht erwartet."

Auch für Bankexperte Guido Dörrenberg (Sparkasse Köln-Bonn) ist die Situation derzeit von Ungewissheit geprägt: „Die Anlage-Opportunität war im Niedrig- und Negativzinsumfeld nicht da. Das Verwahrentgelt, von bösen Zungen auch Strafzins genannt, führte letztlich mit dazu, dass sich die Immobilienrendite über alle Nutzungsarten deutlich reduzierte hatten und die Kaufpreise entsprechend gestiegen waren." Das von Investmentexperte Thorsten Neugebauer erhoffte baldige „Einpendeln" beobachte Guido Dörrenberg allerdings zurzeit nicht: ,,Weil Entwickler wie Investoren abwarten. Der Entwickler wartet, wenn er noch in der Entwicklungsphase ist, zurzeit noch, wie sich die Kosten entwickeln, und der Investor hofft auf einen Schnapper." Aus Sicht von Dörrenberg werde dieses Abwarten die nächsten sechs bis neun Monate bestimmen, bevor sich die „Schockstarre" lösen könnte. Investment-Experte Florian Langer (Larbig & Mortag) glaubt, dass es durch die Zinssteigerungen zu einer Marktbereinigung kommen wird. „Viele Investoren und Projektentwickler werden nicht mehr am Markt teilnehmen." Das betreffe vor allem jene Marktteilnehmer, die zuletzt ausschließlich von den historisch niedrigen Zinsen und den Wertsteigerungen profitiert hätten. Diese hätten auch zu einem deutlichen Überhang auf der Nachfragerseite und damit auch zusätzlich zu steigenden Kaufpreisen in den Verkaufsprozessen geführt.