Angesichts anhaltender Diskussionen um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und sinkender Preise für fossile Brennstoffe erleben Energie- und Heizungsexperten eine umweltpolitisch ungewollte Entwicklung.

Diskussion über Energiethemen: Ansturm auf Öl- und Gasheizungen

Über den Dächern der Stadt: Nach leidenschaftlicher Diskussion über Energiethemen trafen sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des GA-Forums auf der Dachterrasse der Design Offices am Bonner Hauptbahnhof zum gemeinsamen Gruppenfoto.    FOTO: AXEL VOGEL

Bei uns brennt der Baum.“ So bringt Haustechnikexperte Peter Küpper (Geschäftsführer Josef Küpper Söhne und Gebäudeenergieberater) die Situation in seinem Unternehmen auf den Punkt. Hintergrund ist: Betriebe der SHK-Innung Bonn/Rhein-Sieg werden derzeit förmlich überschwemmt von Anfragen verunsicherter Verbraucher, die einen Heizungstausch überlegen. Verantwortlich dafür ist natürlich die anhaltende politische Diskussion über Novellierungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Denn je nachdem, wie jetzt politisch die Weichen gestellt werden, müssen sich insbesondere Eigentümer von Bestandsbauten, die mit Öl und Gas heizen, und eine neue Heizung brauchen, intensiv mit der Frage beschäftigen: Was für eine Investition in welche Energietechnik macht Sinn?

Heizungsfachmann Küpper beobachtet dabei nun einen Trend, den die Politik mit Blick auf den Klimaschutz eigentlich unter allen Umständen vermeiden wollte: „Mein Unternehmen ist für dieses Jahr ausverkauft mit Öl- und Gasheizungen. Das ist ein regelrechter Run.“ Küpperhatte sich eigentlich nicht mehr vorstellen können, nochmals Ölheizungen bei Kunden verbauen zu müssen: „Wir hatten schon 2019 unser 100. Firmenjubiläum. Da haben wir beschlossen, keine Ölheizungen mehr zu verbauen und wir haben das auch sehr gut durchgehalten.“ Aber in diesem Jahr installiere sein Unternehmen tatsächlich noch fünf Anlagen.“ Bezeichnet ist für Küpper der Fall eines 90-jährigen Kunden aus Bad Godesberg: „Der sagt: Was soll ich denn jetzt noch investieren? Der bekommt jetzt noch eine Ölheizung“, berichtet der Heizungsexperte.

"Man kann einen modernen, optimierten Pelletkessel nicht mit einem Kamin vergleichen, in dem man Holzscheite verbrennt“
Bernd Schöllgen
Schöllgen Haustechnik

Er vergleicht die Situation so ein wenig mit der Zeit während der Corona-Pandemie, wo Verbraucher die Supermärkte stürmten, um etwa Toilettenpapier zu bunkern: „Die Kunden kaufen jetzt die Heizung, die vergleichsweise günstig auf dem Markt zu bekommen ist, aus Angst, später keine zu bekommen, beziehungsweise diese deutlich teurer bezahlen zu müssen.“ Natürlich würden auch Wärmepumpen stark nachgefragt. Doch unterm Strich spiele auch immer die Lieferfähigkeit der Industrie und die Frage eine große Rolle: „Man bekommt eine komplette Heizung in fünf Chargen geliefert, erst den Kessel, dann den Speicher und dann vielleicht noch das Abgassystem und die Regler.“ Was aus Sicht von Küpper merklich an Attraktivität beim Kund eingebüßt hat sind freilich die früher hochgelobten Pelletsanlagen: „Das Segment ist fast ganz eingeschlafen, weil die Förderung weg ist“, betont er: „Letztes Jahr haben wir viel in Pelletsheizungen gemacht.“

Bernd Schöllgen, Landesinnungsmeister der SHK-Innung NRW, und zudem Inhaber einer Alfterer Haustechnikfirma, sieht das allerdings etwas differenzierter: „Ich halte Pellets immer noch für die beste Alternative für Eigentümer von Bestandsbauten.“ Schöllgen findet die derzeitige Diskussion auch deshalb nicht zielführend, „weil Pellets und Öl in einen Sack geschmissen werden“, ärgert er sich: „Man kann einen modernen, optimierten Pelletkessel nicht mit einem Kamin vergleichen, in dem man Holzscheite verbrennt.“

Dass viele Eigentümer von älteren Bestandsbauten, die jetzt vor der Anschaffung einer neuen Heizung stehen, wieder auf Öl und Gas zurückgreifen, kann Bernd Schöllgen durchaus verstehen: „Wenn das GEG so Gültigkeit erlangt wie in der derzeit vorliegenden Form, dann können sich Verbraucher mit einem Bestandsbau nur noch zwischen zwei Heizungstechniken entscheiden: Einer reinen Wärmepumpe und einer Hybridlösung, also etwa einer Gasheizung in Verbindung mit einer Wärmepumpe.“

Diese Hybrid-Lösungen seien im Prinzip zwei komplette Heizungen mit all der dazugehörigen Technik, was sich dann am Ende natürlich auch in den Kosten niederschlage. Nicht mit eingerechnet jene Kosten, die etwa für Dämmmaßnahmen an der Gebäudesubstanz notwendig werden können, wenn eine Wärmepumpe eingesetzt wird. Darum hat Schöllgen auch manchen Kunden, der über 60 Jahre alt ist, und sagt: „Ich investiere jetzt liebe in eine deutlich günstigere Gastheizung, Die Amortisierung einer Hybridheizung oder Wärmepumpe erleben ich ohnehin nicht mehr.“ Was aus Sicht von Schöllgen den Trend zu Öl und Gas zudem noch entscheidend befeuert: „Im Vergleich zum vergangenen Jahr und teils drastischen Preissteigerungen für diese Energieträger nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine sind die Preise fast schon wieder auf ein Vorkriegsniveau gesunken.“ Der Leidensdruck, eine neue Heizung einzubauen, sei oft weg.

Trotzdem gibt der Alfterer Heizungsexperte mit Blick auf eine zukunftsfähige Heizung Eigentümern von Bestandsbauten folgenden Tipp: „Es kann keine allgemeine Empfehlung für die Wahl einer Heizung geben, da jedes Haus anders ist und daher eine individuelle Beratung durch einen Heizungsfachbetrieb absolut unerlässlich ist.“ Aus seiner Sicht ist folgende Formel maßgebend: „Das Haus entscheidet welche Heizung passt.“
Auch bei Stephan Herpertz (Energieberater der Verbraucherzentrale NRW in Bonn) stauen sich die Anfragen. „Was bei uns aufläuft, sind die ganzen Fragen rund um die Energiepreiskrise, die sich nur scheinbar entschärft hat.“ Vor allem registrierte Herpertz verbreitetes Unverständnis und Verzweiflung was die Kommunikation rund das neue GEG betrifft: „Das sorgt unter Verbrauchern zu vielen bis hin Missverständnissen zur Panik“, betont der Bonner Energieberater. „Da muss man immer wieder darauf hinweisen, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird.“

"Man soll sein eigenes Haus als eine Art Gesamtsystem verstehen und dementsprechend handeln“
Stephan Herpertz
Verbraucherzentrale NRW

Herpertz rät daher, die Dinge in Ruhe anzugehen: „Man soll sein eigenes Haus als eine Art Gesamtsystem verstehen und dementsprechend handeln.“ So mache es aus seiner Sicht auch überhaupt keinen Sinn, "panikartig einen neuen Gaskessel einbauen“.
Für Carlos Pancho (Knauber Unternehmensgruppe) ist offensichtlich, dass die Verunsicherung der Kunden groß ist. „Wir sind als Energieversorger in der Lage, ein breites Portfolio an Wärmeprodukten für unsere Kunden anzubieten.“ Natürlich bemerkt man auch in der Knauber Unternehmensgruppe besonders in den Servicebereichen im Haus, dass sich Kunden in der Vielfalt der Informationen nicht zurechtfinden. „Bei uns steht zunächst die Beruhigung der Situation im Vordergrund. Natürlich ist es extrem wichtig, sich langfristig mit der energetischen Situation im eigenen Haus zu beschäftigen. Die ist aber oft mit hohen Investitionen verbunden und eben auch mit der guten Beratung zur nächsten Anlageform. „Wir kommen sicher als Versorger dann vor allem ins Spiel, wenn es um das eigentliche Wärmeprodukt geht - und hier sehen wir aktuell durchaus steigende Nachfrage im Pelletsbereich. Der Wärmestrom braucht erst einmal den Vorlauf der Einbauten der Wärmepumpe.“ Aber genauso wichtig ist es Pancho zu signalisieren, dass auch beim Bestand an Gas- und Heizölanlagen mindestens einmal das Produkt auch klimakompensiert werden kann, um bereits jetzt einen ersten Beitrag zur Klimaentlastung zu leisten. „Wichtig ist es, die Kunden da mitzunehmen, wo sie heute stehen - und beim Vorantreiben nachhaltiger Lösungen nicht nachzulassen.“

Heizungsfachmann Peter Küpper berichtet von der gestiegenen Nachfrage nach Öl- und Gasheizungen, Carlos Pancho (Knauber Unternehmensgruppe) und Michaela Gassen (General-Anzeiger) hören gespannt zu. FOTO: AXEL VOGEL
Heizungsfachmann Peter Küpper berichtet von der gestiegenen Nachfrage nach Öl- und Gasheizungen, Carlos Pancho (Knauber Unternehmensgruppe) und Michaela Gassen (General-Anzeiger) hören gespannt zu. FOTO: AXEL VOGEL

„Auch wir verzeichnen wahnsinnig viele Nachfragen“, bestätigt Celia Schütze (Geschäftsführerin Bonn Energie Agentur/BEA): „Für uns ist dabei eine Botschaft wichtig: Öl und Erdgas haben fertig. Sie sind ein fossiles Auslaufmodell mit einem absehbaren Ende.“ Die BEA könne Ratsuchenden daher nur dringend raten, keine neue Öl- oder Gasheizung mehr zu kaufen. Denn die Wahl der Heizung heute sei eine Wette in die Zukunft mit der Frage „Welche Energieträger stehen dann noch zur Verfügung und was kosten sie? Und wie sieht die Zukunft der Gasnetze aus?“ Dabei sei nur eines sicher: „Je geringer der Energieverbrauch insgesamt, desto besser.“ Die Alternativen zu Gas und Öl sind möglichst regional und erneuerbar - Fernwärme oder Wärmepumpe - am besten in Kombination mit einer energetischen Sanierung. Die BEA-Expertin macht dabei Verbrauchern Hoffnung: „Viel mehr Gebäude sind für Wärmepumpen geeignet, als die meisten Hausbesitzer denken“, führt sie aus: „Manche Immobilienbesitzer haben deswegen regelrecht Existenzängste, weil sie denken, sie müssten ihr ganzes Haus renovieren.“ Oft reiche es aber schon aus, kleine Dämmmaßnahmen durchzuführen und einzelne Heizkörper auszutauschen, um auf die Vorlauftemperatur von maximal 55° Grad zu kommen. Das ist die Voraussetzung, bei der auch eine Wärmepumpe sinnvoll und effizient einsetzbar ist. Holzpelletheizungen empfehlen sie nur in Einzelfällen. Aktuell gehe es um die Frage, wie man diese angespannte Lage, die große Sorge, aber auch die Situation, dass keine Wärmepumpen und Fachkräfte verfügbar sind, überbrücken kann. Daher empfehle sie „Übergangslösungen“, etwa diese: „Reparier deine alte Heizung oder finde eine Second-Hand-Heizung und nutze die Zeit für einen Sanierungsfahrplan“.

Was Philipp Hawlitzky (SWB Energie und Wasser) auffällt, ist die enorme Dynamik in der gegenwärtigen Situation: „Es vergeht keine Woche, in der nicht zwei oder drei Gesetzentwürfe aus Berlin veröffentlicht werden.“ Als Beispiele nennet er das GEG, das Wärmeplanungsgesetz, das Smart-Meter-Gesetz sowie die PV-Strategie, die kürzlich veröffentlicht wurde. „Es ist daher schwer, den Überblick zu behalten, weil wöchentlich etwas kommt“, kann Philipp Hawlitzky daher die verbreitete Verunsicherung beim Verbraucher verstehen: „Für uns als Stadtwerke ist es eine Herausforderung, die großen Themen abdecken und umsetzen zu können.“ Schließlich gebe es den grundlegenden Klimabeschluss der Stadt Bonn. Heißt für SWB: „Wir als hundertprozentiges kommunales Unternehmen gehen da auf jeden Fall mit und werden das über 2035 hinaus begleiten.“ Zum Beispiel mit dem Umbau der Energiewelt und Netze (Strom und Fernwärme), unterstreicht Philipp Hawlitzky: „Wir hatten ausgerechnet, dass das Stromnetz von der Kilometeranzahl verdoppelt werden muss von 1000 auf 2000 Kilometer.“ Das bedeute bis 2035 pro 100 Kilometer Stromnetz, die ertüchtigt werden müssten: „Beim Fernwärmenetz ist es nicht ganz so viel, aber auch fast eine Zehnerpotenz höher.“
VON AXEL VOGEL

Hinweis der Redaktion: Der Redaktionsschluss für diese Sonderveröffentlichung war gestern Mittag. Die jüngsten politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Heizungsgesetz entnehmen Sie bitte der aktuellen Berichterstattung im Mantelteil des General-Anzeigers oder unserer Webseite ga.de