Werkstatt Sawinskys: Gedulds-, Rätsel- und Knobelspiele

Albert Sawinsky: Hoflieferant von Kaiser Franz Joseph

Albert Sawinsky war auf den großen Weltausstellungen vertreten und eroberte mit seinen raffinierten Produkten selbst die Herzen von Monarchen. FOTOS: VIRTUELLES HEIMATMUSEUM ITTENBACH

Vor hundert Jahren wird Spielzeug im Siebengebirge hergestellt. Albert Sawinsky verlagert seine Produktion 1922 ins Margarethenkreuz. Erfolge bei großen Ausstellungen überall in der Welt

Die Lichter am Adventskranz glänzen, die Kinder können die Bescherung kaum noch erwarten und sind gespannt, ob alle Wünsche ans Christkind erfüllt werden - ob Puppen, Plüschtiere, Spielautos, Roboter, Playmobil oder eine Carrerabahn. Rund 80 Prozent der Waren kommen mittlerweile aus China. Vor dem Ersten Weltkrieg stammten 80 Prozent der weltweiten Spielwarenproduktion aus Deutschland. Und: Vor hundert Jahren wurde auch im Siebengebirge Spielzeug hergestellt - die Vixier- und Spielwarenfabrik Albert Sawinsky hatte 1922/23 die Fabrikation von Troisdorf auf die Margarethenhöhe verlagert - ,,Margarethenkreuz 1 im Siebengebirge" lautete die neue Adresse. Sternstunden hatte das Unternehmen bereits vorher. Sawinsky war auf den großen Weltausstellungen vertreten und eroberte mit seinen raffinierten Produkten selbst die Herzen von Monarchen.

Schon als junger Mann hatte Sawinsky, 1884 in Siegburg geboren und mit den Eltern nach Troisdorf verzogen, eine Fabrik gegründet. Gedulds-, Rätsel- oder Knobelspiele kamen damals ganz groß in Mode. Und es war eine Menge Geduld erforderlich, wenn die zerlegbaren Miniaturmöbel und ganze Zimmerinventare aus Holz in Mini-Puppenhäuser aus der Werkstatt Sawinskys zusammengefügt werden mussten. Das war das Puzzle der damaligen Kindergeneration. Auf diese ausgefallenen Produkte hatte der pfiffige Unternehmer das Patent erlangt.

Albert Sawinsky reiste bereits mit 20 Jahren zur fünf Monate dauernden Weltausstellung DAMUKA (Deutsche Armee-, Militär- und Kolonial-Ausstellung) in St. Louis in Missouri. Seine Messeaktivitäten waren auch in den Folgejahren enorm. So stellte er etwa 1905 und 1906 in Lüttich, Görlitz, Paris, Brüssel, Marseille, Nizza und Monte Carlo aus - überall gefiel sein Spielzeug. 1907 besuchte das Kronprinzenpaar persönlich seinen Stand in Berlin. 1910 beehrte ihn in Wien Kaiser Franz Joseph, der begeistert war von den Kreationen des Rheinländers. Welche Ehre: Albert Sawinsky wurde Hoflieferant des Kaisers.

Vermutlich war der Spielzeughersteller durch seinen fünf Jahre jüngeren Bruder Adolf ins Siebengebirge gelangt. Der war nämlich bereits ab 1909 Lehrer in Ittenbach. Die beiden Brüder waren außerdem befreundet mit der Familie Thomas, die den Löwenburger Hof betrieb. Deren Sohn Willy wurde später Geschäftsführer der Niederlassung in England und Schottland.

1910 hatte Albert Sawinsky auf dem elterlichen Grundstück in Troisdorf einen neuen Betrieb errichtet, und seine Produktion konnte noch einmal gesteigert werden. In dem Jahr heiratete er Clara Cremer aus der Eifel. Er war in dieser Zeit in der Steuerklasse I eingetragen, ein Hinweis auf Vermögen. 1913 stellte er wieder in Breslau und Amsterdam aus, nachdem er im Vorjahr nicht unterwegs war und in seinen Aufzeichnungen von politisch unsicheren Zeiten schrieb.

1914 starb seine Frau, bei einer Messe in Malmö wurde er vom Kriegsausbruch überrascht. Sawinsky kämpfte als Freiwilliger in Frankreich, sprachkundig in Französisch und Englisch, war er am Schluss als Dolmetscher gefragt.

Nach dem Krieg ging der rührige Unternehmer nicht nur eine neue Ehe mit Maria Rechmann aus Köln ein, sondern gründete auch das erste Kino in Troisdorf und beteiligte sich später auch an Fuhrunternehmen nach dem Ausbau der Straße zwischen Königswinter und Ittenbach in den zwanziger Jahren. Auf den Wagen standen die Ziele „Ittenbach - Königswinter, Margarethenhof-Margarethenkreuz, Marienhof, Sophienhof, Thomashof-Aufstieg zum Oelberg".

Seine Frau besaß in Köln viele Immobilien, Albert zog zu ihr an die Roßstraße. Nachdem er 1922 nach der Ausstellung in Magdeburg den Firmensitz ins Siebengebirge verlagert hatte, wohnte er im Sommer mit der Familie ,,über der Ökonomie", wie es hieß, also im oberen Stock über dem Bauernhof.

FOTOS: VIRTUELLES HEIMATMUSEUM ITTENBACH
FOTOS: VIRTUELLES HEIMATMUSEUM ITTENBACH

Bedrückend der Rückblick Sawinskys auf das Jahr 1923. Er notierte am 4. Dezember: ,,Durch die gewaltmäßigen Eingriffe der Franzosen... lagen alle Fabriken und Bergwerke still und die Arbeiter bezogen Arbeitslosenunterstützung, die gegen das strenge Verbot der Franzosen an die Leute bezahlt wurden... Ich benutzte diese ruhige Zeit, wo keinerlei Geschäfte mit dem Ausland gemacht werden konnten, um meine Spielwaren-Fabrik nach dem Siebengebirge (Margaretenkreuz) zu verlegen. Nachdem ich den Betrieb fertig eingerichtet hatte, war die politische Lage noch immer unverändert, die Franzosen duldeten nicht, dass deutsche Erzeugnisse exportiert wurden. Die Eisenbahnen lagen noch immer still, und daher ließen wir den Betrieb ruhen. Da die Arbeitslöhne pro Stunde infolge der Geldentwertung schon bis zu 1 Billion Mark heraufgewachsen waren, konnten wir auch nicht auf Vorrat arbeiten lassen."

Mit dem „Wir" meinte er seinen neu aufgenommener Sozius Paul Hubert Bachem, Gutsbesitzer vom Margaretenkreuz. Sein Quartiergeber also. Von dem Kompagnon Bachem ist überliefert, dass er viel Geld in die Spielzeugfabrik investiert, aber verloren hatte und er später nicht gut auf diese Zeit zu sprechen war. Zwar gab es noch einige Ausstellungen, aber die französische Besatzung und der Börsenkrach und die Weltwirtschaftskrise ausgangs der Zwanziger Jahre bedeuteten den Todesstoß für das Unternehmen, auch wenn es weiter bei Ausstellungen vertreten war und expandierte. So wurde 1931 ein Zweigbetrieb in England installiert, den Willy Thomas als Geschäftsführer leitete. Eigentlich wollte er damit nach Amerika gehen, aber die Weltwirtschaftskrise machte einen Strich durch die Pläne. Zwar waren Chef Sawinsky und Angestellter Thomas noch bei der Bauausstellung am Funkturm von Mai bis August 1931, aber im Januar musste der Unternehmer seinem Angestellten kündigen - beide Betriebsstätten müssten auf unbestimmte Zeit geschlossen werden schließen. Dabei blieb es. 1934 ging es zurück nach Köln.

Albert Sawinsky, der 1960 verstarb, soll vermutlich in die Immobilienbranche eingestiegen sein. Sein Bruder Adolf blieb bis zur Pensionierung Lehrer in Ittenbach. Spielzeug aus dem Siebengebirge - das ist Geschichte. oro


Erinnerungen in Museen

Dass dieser geniale Spielzeughersteller, der Kinderträume erfüllte, im Siebengebirge seine Spuren hinterließ, entdeckte erst Annette Hirzel, Leiterin des virtuellen Heimatmuseums Ittenbach. Sie recherchierte unermüdlich, ermittelte Nachfahren des Unternehmers und konnte auf diese Weise auch noch Fotomaterial heben. Wie die Miniatur-Möbelstücke aus dem Hause Sawinsky setzte sie Informationen zusammen. Im virtuellen Museum, aber auch in der spannenden Lektüre ,,Tor zum Siebengebirge" des Bürgervereins VVI Ittenbach ist das Schicksal Sawinskys dargelegt. Beim Museum im Internet hat es übrigens gerade zum zweimillionsten Mal ,,Klick gemacht". Und: Das Troisdorfer Musit (Museum für Stadt- und Industriegeschichte) in der Burg Wissem an der Burgallee 1 hat dem Unternehmer und dessen Bruder eine eigene Dauerausstellung mit dem Nachlass gewidmet. Dort sind Fotos und Texte, aber auch verblüffende Objekte der damals in der ganzen Welt begehrten Vexierkunst zu entdecken. oro