Die Aufführung von Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 9 hätte im September beim Beethovenfest sicher nicht so hohe Wellen geschlagen, wenn nicht der jüngste Konzertbesucher im Saal stimmkräftig nachgeholfen hätte. „Babygeschrei übertönte Beethovens Neunte“, „Babygeschrei sorgt für Aufsehen bei Beethovens Neunter Symphonie“, sogar „Mother refuses to remove crying baby from Beethoven's 9th“ lauteten die Schlagzeilen im Netz. Was war geschehen?
Bereits im vorletzten Satz der Sinfonie hatte das Baby in der ersten Reihe eine Kostprobe seiner durchdringenden (Protest-)Stimme gegeben. Im weiteren Verlauf des Stückes halfen die von allen Reihen dahinter zu beobachtenden Beschwichtigungsversuche der Mutter, die das Kind im Takt der Musik schaukelte, nicht. Selbst die mahnenden Bariton-Worte des Bariton-Sängers verhallten: „O Freunde, nicht diese Töne“, sang er, und dann: „Sondern lasst uns angenehmere anstimmen und freudenvollere.“ Die Situation war für alle Beteiligten höchst unerfreulich. Für Musiker und Sänger, für die mehr als 1000 Besucherinnen und Besucher, für die Mutter und ganz besonders für das Baby, das im Verlauf des vierten Satzes mit seinen gewaltigen Chorgesängen und dem kraftvoll aufspielenden Orchester einer erheblichen Lautstärke ausgesetzt war. Es dauerte sehr lange, bis das Saalpersonal auf die Mutter zuging und sie mit Kind hinausbegleitete.
Im Nachgang entschuldigte sich das Beethovenfest „von Herzen“ beim Publikum, dass man nicht früher eingegriffen hatte. Intendant Steven Walter: „Wir hätten ansonsten natürlich erwartet, dass die Eltern entsprechend guter Sitte mit dem lieben Kind den Saal verlassen, wenn es nicht mehr geht.“ Als Geste gewährte man dem Publikum Rabatte und versprach Wege zu finden, „damit zukünftig in einem solchen Fall schneller reagiert werden kann“.
Im Anschluss wurde öffentlich diskutiert, ob man Babys und kleine Kinder überhaupt mit ins Konzert bringen solle. Fachmediziner wie der Bonner Sebastian Strieth raten davon ab. Für Ohren von Kindern könne laute Musik noch schädlicher sein als für Erwachsene, warnt Strieth, der am Uniklinikum Bonn die Professur für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde innehat. Strieth: „Spätestens wenn ein Kind schreit, ist es mit der Situation wohl nicht zufrieden.“
VON BERNHARD HARTMANN