Der Saison-Auftakt an der Bonner Oper löst beim Publikum heftige Reaktionen aus

Opernhaus Bonn: Mozarts „Entführung“ im Buh-Sturm

Szene aus Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ in Bonn. FOTO:SZABÓ

Dass solche Szenen sich zutragen wie nach der Premiere von Wolfgang Amadé Mozarts Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“ im September, gibt es in Bonn nicht allzu oft. Das Publikum machte dem Inszenierungsteam um Regisseurin Katja Czellnik unmissverständlich deutlich, was es von der Aufführung hielt: gar nichts. Die Buhrufe waren ohrenbetäubend.

Missfallen erregte vielleicht nicht einmal so sehr, dass Czellnik das Stück in seinem wahren historischen Kontext zu beleuchten versuchte. Aber dass sie dabei in die Struktur des Stückes eingriff, ging vielen Premierenbesucher dann doch ordentlich gegen den Strich. Statt der Dialoge wurden Texte von Michel de Montaigne, Jean-Jacques Rousseau und anderen ins Spiel gebracht, die unter anderem den westlichen Blick auf andere Kulturen entlarven oder die beklagenswerte Rolle der Frau in dieser Zeit thematisieren sollten. Dass Czelliks aufklärerischem Furor gleich auch die zentrale Sprechrolle des Bassa Selim zum Opfer fiel, stieß ebenfalls auf viel Unverständnis. Ebenso die Überfülle an Bildern und Anspielungen, die zwischen Ernsthaftigkeit und karnevalesken Albernheiten wechselten.

Dass das Bonner Publikum nach dem eindeutigen Votum des Premierenpublikums (das in der Tendenz mit der im General-Anzeiger veröffentlichten Kritik übereinstimmte) mit den Füßen gegen diese Inszenierung abgestimmt hätte, lässt sich indes nicht sagen. Laut Theater Bonn handelt es sich, was den Kartenverkauf angeht, um die bislang erfolgreichste Inszenierung der noch jungen Spielzeit. Insbesondere jüngere Besucherinnen und Besucher hätten an der raschen Bilderfolge, die ein weiteres Merkmal der umstrittenen Inszenierung ist, Gefallen gefunden, so heißt es.

Einen ähnlichen Fall wie jetzt mit der Premiere der „Entführung“ erlebten die Bonner schon einmal im Jahr 2005. Auch da stand eine Oper mit Dialogen auf dem Programm: Ludwig van Beethovens „Fidelio“. Viele Regisseure identifizieren in beiden Stücken dasselbe Problem: die Dialoge. Wie Czellnik suchte Regisseur Günter Krämer, der zu der Zeit noch Opernintendant in Köln war, nach einer Alternative. Und fand sie in Gestalt neuer lyrischer Texte der Schriftstellerin Friederike Roth. Und wie in der „, Entführung“ verschleierten die neuen Zutaten die eigentliche Handlung, die vor dem freien Spiel der Ideen und Assoziationen in den Hintergrund treten musste.

Die Reaktion des damaligen Premierenpublikums fiel sogar noch eine Spur heftiger aus als bei der 2023er-„Entführung“. Es wurde in die von Krämer inszenierten Pausen hineingerufen, wobei Hilfeschreie nach „Beethoven“ oder nach „Musik“ zu hören waren und einige Besucher sogar versuchten, „singend das Heft selbst in die Hand zu nehmen“, wie in der Kritik des General-Anzeigers nachzulesen ist. Der Regisseur habe nachher von einem „provinziellen“ Publikum gesprochen, hieß es weiter.

VON BERNHARD HARTMANN