Wolfgang Wiedlich freut sich über die aktuellen Erfolge, blickt aber mit Sorge in die Zukunft des Clubs vor allem, weil weiter ein Hauptsponsor fehlt.

Baskets-Präsident Wolfgang Wiedlich: ,,Paradox bis zum Abwinken"

Der Kopf hinter den Baskets: Präsident Wolfgang Wiedlich sorgt sich um die Zukunft des Clubs. FOTO: WOLTER

Die Telekom Baskets Bonn spielen die vielleicht beste Saison ihrer Clubgeschichte: Platz eins in der Bundesliga, 32 Siege, Final4 in der Champions League. Baskets-Präsident Wolfgang Wiedlich tritt dennoch weiterhin auf die Euphoriebremse. Tanja Schneider sprach mit ihm über Etats, Sponsoren und die Zukunft des Clubs.

Herr Wiedlich, wie würde der Journalist Wiedlich denn die Überschrift zur bisherigen Saison formulieren?

Wolfgang Wiedlich: Paradox bis zum Abwinken. Sportlich top auf dem Court, zuletzt fast immer ausverkauft, in Europa Schlagzeilen gemacht, aber trotzdem Zukunftssorgen.

Mit so einer Performance müsste man eigentlich jeden Hauptsponsor überzeugen. Oder den alten, die Telekom, wiederbeleben?

Wiedlich: Aus Fansicht kann ich die Frage verstehen. Aber wie Sie sehen, ist es nicht so einfach, wie es aussieht. Die Mondorfer Volleyballer haben gerade die zweite Zweitliga-Meisterschaft in Folge gefeiert, aber aus wirtschaftlichen Gründen wieder auf einen Aufstieg verzichtet. Wer den Ball hochklassig mit dem Fuß dribbelt, hat es eben einfacher.

Bevor es ins Final4 der Champions League und die Playoffs geht, hat der Club zwei Auszeichnungen erhalten: Wie im vergangenen Jahr stellen die Baskets den Trainer des Jahres und den MVP der Liga. Wie ist da Ihre Einordnung?

Wiedlich: Da gibt es nicht viel einzuordnen. Ich denke, dass ist eine objektive Bewertung. Der Club und die Fans vor Ort haben zudem mal wieder gezeigt, was hier möglich ist.

Es ist eine Saison wie im Märchen. Fragen Sie sich manchmal ,,Wie lange kann das so weitergehen?" oder ,,Was kommt danach?" Können Sie das Hier und Jetzt voll und ganz genießen?

Wiedlich: Ich versuche es. In meiner Funktion bin ich jedoch für die nächste und übernächste Saison zuständig. Und da ist der wirtschaftliche Rahmen noch nicht gesichert. Freude will da leider nicht so recht aufkommen, eher Genugtuung.

Solche Sätze mögen Ihre Fans nicht und interpretieren sie als „Jammern" oder „Pessimismus"...

Wiedlich: Für Realitätsverweigerung jedweder Art habe ich wenig Talent. Ich verkünde auch keine Wolkenkuckucksheime, damit sich alle wohlfühlen können. Die Leute glauben sowieso das, was sie glauben wollen.

Ein Sieg beim Final4 der Champions League in Malaga würde nicht nur den ersten Titel der Baskets-Geschichte bringen, sondern auch eine Menge Geld. Bis zu 900.000 Euro Prämien sind für den Sieger drin, dazu die Einnahmen aus vielen gut besuchten Heimspielen. Da sind aber auch die Reisekosten. Können Sie ungefähr beziffern, was da unter dem Strich rauskommt?

Wiedlich: Ich bin kein Freund davon, das Fell des Bären zu verteilen, ehe er erlegt ist. In dieser Saison ist der europäische Wettbewerb für uns jedenfalls kein Minusgeschäft. Außer Reisekosten gibt es auch noch Erfolgsprämien für das Team und Steuern.

Noch eine Journalistenfrage: Ein Verein muss beim Sponsoring umplanen. Der Hauptsponsor zieht sich zurück. Der Vereinspräsident mauert bei Aussagen über den Stand der Dinge. Wie würden Sie versuchen, ihm mehr zu entlocken?

Wiedlich: Das ist bei mir aussichtslos. Wir mauern ja nicht, weil es uns Spaß macht, sondern weil wir das Beste für die Baskets wollen.

Ihr Verein gehört gerade zu den attraktivsten der rheinischen Sportlandschaft. Da müssten die Sponsoren doch Schlange stehen...

Wiedlich: Ja, die Braut ist sportlich so attraktiv wie nie, allerdings steht sie nicht im Fußball, sondern in der Randsportart Basketball, die wiederum in Bonn mit weitem Abstand die Publikums-Sportart Nummer eins ist. Das gewachsene Interesse merken wir natürlich im lokalen Sponsoring und an den vielen Ausverkauft-Heimspielen. Doch das kann die Lücke, die ein Hauptsponsor-Rückzug reißt, nicht schließen.

Die Lizenz für die nächste Saison gab es jetzt zumindest ohne jegliche Auflagen. Das heißt, die Finanzierung der kommenden Saison ist gesichert. Reichen die Finanzen auch für ein langfristiges Engagement von Headcoach Tuomas Iisalo?

Wiedlich: Das Mindestbudget für einen Lizenzantrag beträgt drei Millionen Euro. Das können wir für die nächste Saison nachweisen. Sogar mehr als das. Daraus lässt sich jedoch nichts für künftige Teametats ableiten. Mit Tuomas Iisalo rede ich unter vier Augen. Es geht aber nicht nur um Trainer und Spieler, sondern um die gesamte Organisation, in der viel gewachsenes Know-how steckt.

,,Die Vorstellung, hier müsse nur Geld für zwölf Profispieler plus Trainer erwirtschaftet werden, ist realitätsfern"
Wolfgang Wiedlich
Baskets-Präsident

Wie groß oder klein müssen wir uns denn die Baskets-Organisation vorstellen?

Wiedlich: Wir liegen bei umgerechnet rund 70 Vollzeitstellen inklusive Hallentechnik, Gastrobereich und Nachwuchsarbeit. Die Vorstellung, hier müsse nur Geld für zwölf Profispieler plus Trainer erwirtschaftet werden und den Rest bewerkstelligt Ehrenämtlerei, ist realitätsfern.

Wie kann die Erfolgsgeschichte trotzdem fortgeschrieben werden?

Wiedlich: Ohne die Telekom oder einen adäquaten Nachfolger lässt sich das kaum denken. Dann reden wir nicht über eine Fortschreibung der Erfolgsgeschichte, sondern über den Kampf gegen den Abstieg. Alles was hier während der 28-jährigen Partnerschaft zwischen Telekom und Baskets einschließlich eigener Großhalle, eigenem Ausbildungszentrum und einer großartigen Fanbasis entstanden ist, lohnt sich zu erhalten und zu verteidigen. Dafür kämpfen wir, und es war eine gute und mutige Entscheidung, dass die Baskets-Gesellschafter im Sommer 2021 Tuomas Iisalo geholt und ihm trotz Telekom-Mittelkürzung für unsere Verhältnisse respektable Teametats hingezimmert haben.

Die ,,Bild" kolportiert, alle Spieler hätten Meisterprämien zwischen 10.000 und 20.000 Euro ausgehandelt. Das würde für größte Überzeugung schon zu Saisonbeginn sprechen. Angenommen das stimmt: Haben Sie das Geld zur Seite gelegt, weil auch Sie davon ausgegangen sind, dass der Titel möglich ist?

Wiedlich: Das ist ja wirklich - Achtung Ironie eine Neuigkeit. Ich kenne keinen Spielervertrag in der Liga, der keine Erfolgsprämien enthält. Dafür sorgen schon die Spieleragenten. Die tatsächlichen Beträge sind Vertragsinhalte und damit nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Gibt es Playoff-Gegner, die Sie sich wünschen oder einen, den Sie lieber meiden würden?

Wiedlich: Nein. Im Viertel- und Halbfinale sind wir mit Platz eins sicher favorisiert, aber danach gegen Berlin oder München wären wir wieder der ,,Hecht im Karpfenteich" - eine Rolle, in der wir uns schon immer wohlgefühlt haben. Aber vielleicht kommt ja auch alles ganz anders.

Beim Final Four der Champions League (BCL) in Malaga ist Ihr Team der totale Außenseiter. 50 Prozent der BCL-Sportmanager favorisieren den Gastgeber Malaga für den Titel, 43 Prozent Teneriffa, sieben Prozent Jerusalem...

Wiedlich:... macht nach Adam Riese null Chance für Bonn, spiegelt aber nur die Budgetverhältnisse. Nach dieser Logik dürften wir auch nicht auf Platz eins der BBL stehen. Ich sehe uns mit unserem kollektiven und mit viel Leidenschaft gewürzten Ansatz jedenfalls nicht chancenlos.

Ich weiß, dass Sie die Frage nicht gern beantworten, aber muss man jetzt schon mit Planungen wie einer Präsentation auf dem Rathausbalkon beginnen oder geht das auch kurzfristig?

Wiedlich: Besser nicht, geht sicher auch kurzfristig.

ZUR PERSON

Wolfgang Wiedlich, geboren 1956 in Bonn, ist seit 1998 Präsident der Telekom Baskets Bonn. Der 67-Jährige ist unter anderem der Motor, der das Projekt Telekom Dome von der Planung bis zum Bau maßgeblich vorangetrieben hat. Seit Anfang 2022 ist Wiedlich, der seit 1991 die ,,Journal"-Redaktion des General-Anzeigers leitete, in Rente. Der Klima-Experte ist verheiratet und hat zwei Söhne. scht/scld

BASKETS-SAISON IM ZEITRAFFER, TEIL 3

Platz eins gesichert,
Morgan kehrt zurück


Chemnitz - Bonn 79:81
Gegen den ersten Playoff-Gegner tun sich die Baskets schwer und endscheiden das Spiel erst in der Crunchtime.

Bonn - Ludwigsburg 91:75
Die Baskets revanchieren sich für die Hinspielniederlage und holen sich den zehnten Ligasieg in Serie und die Tabellenführung.

APRIL
Bonn - Hamburg 76:66

Auch ohne den verletzten Delany reicht es zu einem klaren Sieg.

Oldenburg - Bonn 78:87
Angeführt von Karsten Tadda und Herrera, die gegen ihren Ex-Club jeweils 18 Punkte erzielen, sichern sich die Baskets vorzeitig das Playoff-Heimrecht fürs Viertelfinale.

Bonn - Bayreuth 86:42
Die Baskets brechen den Clubrekord mit den wenigsten zugelassenen Punkten. Die 44-Punkte-Differenz sind der zweithöchste Bundesliga-Erfolg der Clubgeschichte.

Heidelberg - Bonn 74:91
Ein Arbeitssieg für die Baskets. Neben Shorts erreicht auch Herrera die Schallmauer von 20 Punkten. Kratzer glänzt mit einem Double-Double.

Bonn - Berlin 84:77
Das hochklassige Spitzenspiel endet mit einem lauten Rumms, als Ward im Fastbreak per Alley-Oop über das Brett den angeflogenen Hawkins findet. Die Baskets feiern den 15. BBL-Sieg in Serie und machen Platz eins klar.

Bonn - Braunschweig 89:78
In einem harten Spiel sind die Baskets die abgezocktere Mannschaft und verteidigen Platz eins.

MAI
Göttingen - Bonn 60:95

Der zweithöchste BBL-Auswärtssieg ist eine defensive Machtdemonstration.

Bamberg - Bonn 75:102
Nach dem sechshöchsten BBL-Auswärtssieg kann niemand die Baskets von der Tabellenspitze verdrängen. Erstmals seit 2002/03 sind die Baskets Hauptrundenerster.

Bonn - Ulm 85:83
Willkommen zurück, Jeremy Morgen. Nach über vier Monaten Verletzungspause gibt es sogar eine Choreo für ihn im ausverkauften Dome. Der frischgebackene MVP Shorts trifft standesgemäß den Buzzer-Beater zum Sieg - und zur makellosen Heimbilanz.
Top: Shorts: 30 Punkte