In einer groß angelegten Überblicksausstellung schafft die international renommierte Künstlerin Christiane Löhr (1965 in Wiesbaden geboren) einen einzigartigen skulpturalen und installativen Kosmos mit Materialien aus der Natur.
Flugsamen, Pflanzenstängel, Kletten, Baumblüten und Tierhaar nutzt sie zur Konstruktion ihrer organisch-abstrakten Werke, die an Architekturen, Landschaften oder Gefäße erinnern. Auf überraschende Weise transformiert sie die vergänglichen Materialien in präzise konstruierte, zarte wie auch raumgreifende Skulpturen. Die Ausstellung versammelt annähernd 80 Werke aus vier Jahrzehnten.
Neben Skulpturen und Zeichnungen sind drei eigens für die Werkschau entstandene, großformatige Installationen sowie eine Reihe früher, selten gezeigter Arbeiten der Künstlerin zu sehen. Christiane Löhrs vegetativ-architektonische Raumskulpturen öffnen aktuelle Perspektiven auf das fragile Bild des Seins und rufen organische Prinzipien von Wachstum und Konstruktion auf.
Die Künstlerin löst Naturmaterialien aus ihrem ursprünglichen Kontext heraus und fügt sie, als reinen Werkstoff, in neuartigen Konstellationen zusammen. In ihrem Arbeitsprozess wird sie geleitet von dessen Logik und natürlicher Beschaffenheit. Die gezielte Auswahl des Materials und dessen spezifische Struktur bedingt die Konstruktion der jeweiligen Skulptur. Daraus erforscht sie Prinzipien von beispielsweise Elastizität oder Stabilität. Dabei ahmt die Künstlerin nicht die Formen der Natur nach. Im Gegenteil: sie trennt vielmehr klar zwischen Natur- und Kunstschönem und sieht ihre feinen und zarten Arbeiten als radikale Setzungen.
Während Löhrs skulpturale Arbeiten in einen Dialog mit den offenen Räumen des lichtdurchfluteten Museumsbaus Richard Meiers treten, weisen sie gleichzeitig über diesen hinaus und korrespondieren mit der umgebenden Natur und Landschaft. Für die Betrachter*innen ergeben sich dabei besonders reizvolle Blickwinkel. Durch Innehalten, Herunterbeugen, Umschreiten und genaues Hinsehen entfaltet sich ein umfassender künstlerischer Kosmos. Dieser lotet Gegensätze neu aus und konfrontiert uns mit Schwere und Leichtigkeit, Fragilität und Stabilität, Raum und Volumen, Transparenz und Dichte oder Ruhe und Bewegung.
Die Räume und Wände der Ausstellungsflächen werden rhythmisiert und verbunden durch zwei raumgreifende niedrige Podeste-nach Christiane Löhr der sogenannte „Zweitboden“ - sowie kleinere Sockel und Wandbretter. Die drei großformatigen ortsspezifischen Arbeiten - ein Löwenzahnteppich, eine Samenwolke aus Distelsamen und eine Haarreuse aus Rosshaar - definieren den Boden, die Decke der offenen großen Raumhälften und das Volumen des Kabinetts.
Die Zeichnungen Christiane Löhrs widmen sich den bildhauerischen Themen auf andere Art und Weise. Grafit, Ölstift oder Tusche verbinden sich zu Linien oder organisieren Flächen auf dem hellen Bildgrund. Von sensiblen haarfeinen Gespinsten bis hin zu opaken und dichteren Strukturen erwecken diese Arbeiten einen lebendigen Eindruck von Wachstum und Bewegung.
Christiane Löhr ist eine der wichtigsten Stimmen im aktuellen Diskurs um neue, zeitbezogene Ansätze in der Skulptur. In der Werkschau schafft sie im Wechselspiel aus Zeichnung, Skulptur und Architektur einen installativen Raum, der grundlegende Fragen der zeitgenössischen Bildhauerei und gleichzeitig wegweisende Themen im Kontext der Moderne um das Künstlerpaar Arp für das 21. Jahrhundert auf-nimmt. Den an der Natur orientierten Schaffensprinzipien Arps, der Minimal Art sowie der Arte Povera - einer Kunst, die bewusst aus„ armen“ Materialien schöpft - fügt sie eine weitere zentrale Ebene hinzu: das bewusst gewählte Kleinformat ihrer Skulpturen. Dieses setzt einen aussagekräftigen Gegenpol in einer Welt, die vom Lauten und Großen dominiert wird. Christiane Löhr lädt uns dazu ein, uns mit allen Sinnen auf diese eindrucksvolle Schau einzulassen.
Der Titel der Ausstellung entstammt dem Gedicht„Ordnungen der Wildnis - zu den Arbeiten von Christiane Löhr“ von Marion Poschmann, das 2020 in ihrem Sammelband “Nimbus“, Gedichte, bei Suhrkamp erschienen ist.
Eröffnung der Ausstellung
Das Arp Museum lädt zur Eröffnung der Ausstellung am Sonntag, den 8. Oktober 2023 um 11 Uhr ein. Es sprechen: Dr. Julia Wallner, Direktorin Arp Museum Bahnhof Rolandseck Katharina Binz, Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration des Landes Rheinland-Pfalz Jutta Mattern M.A., Kuratorin Arp Museum Bahnhof Rolandseck Die Künstlerin Christiane Löhr ist anwesend. Der Eintritt ins Museum ist bis 13 Uhr kostenfrei.