Wollten die Turner des TV Eiche von 1902 etwa mit Tschingderassabum die Gegner einschüchtern? Jedenfalls gründete der Honnefer Turnverein einen eigenen Spielmannszug. Barthel und Josef Schwippert sowie Jean Behr und Hans Mähler begleiteten 1912 die Sportler zum ersten Mal mit Trommeln und Pfeifen zu den Wettbewerben. Zuvor hatte der Erste Turnwart Vinzenz Behr auf der Generalversammlung musikalischen Beistand für die Turner gefordert. Aber auch bei Festen traten die Spielleute auf. Und an Musikwettstreiten beteiligten sie sich erfolgreich.
Längst haben sie auch die Karnevalsbühnen erobert. Anlässlich ihres 111-jährigen Bestehens herrscht ihr Abteilungsleiter Norbert Grünenwald mit seiner Frau Karin als Siebengebirgsprinzenpaar im jecken Revier von Beuel bis Unkel. Zusammen mit ihren Spielleuten ziehen sie durch die Säle und erobern die Herzen im Sturm. Und das können die Eiche-Akrobaten mit Trömmelchen, Flöten, Becken und Lyra - im Karneval machen sie in Gardeuniformen als Stadtsoldatencorps ,,bella figura". Die schmucken Honnefer begleiteten selbst Kölner Traditionsgesellschaften schon durch die fünfte Jahreszeit. Mehrmals marschierten Spielleute für die Ehrengarde der Stadt Köln im Kölner Rosenmontagszug mit. Mal eben 1000 oder fast 2000 Mädels im Gürzenich oder Kölner Maritim erobern oder bei einer Herrensitzung die Wände wackeln lassen? Kein Problem!
Nicht nur musikalisch sind die Jungs joot drop". Seit 15 Jahren haben sie sogar ihre Gardetänzer. Eine Gaudi: Dann wird die Knabüs präsentiert und mit dem Popöchen beim Stippeföttche gewibbelt. „Wir sind einige der wenigen Corps, die zu Livemusik tanzen", so Stefan Jungheim, Chef der Gardetänzer, und Stabführer Benny Limbach, der vier Jahre alt war, als 1995 die ersten 35 Gardeuniformen angeschafft wurden.
Vorläufer waren Matrosenuniformen - die jecke Wiever vun der kfd hatten die Spielleute animiert, im Karneval in dieser Verkleidung zu ihren Sitzungen aufzutreten. Ihre ersten Siebengebirgsregenten, die von den Eiche-Musikanten durch die Session begleitet wurden, waren Büb und Uschi Brodesser aus Selhof in den Neunzigern. Zum eigenen Hundertjährigen 2012 stellten sie mit Stefan Jungheim, der diesmal als Prinzenführer agiert, und dessen Frau Andrea ihr erstes Siebengebirgsprinzenpaar.
Damals gab noch der singende Stabführer Jürgen Wessel den Ton an. „Ein Charmebolzen, den braucht man auch", sagt Prinz Norbert I. Vor wenigen Jahren übernahm Benny Limbach die Führung. Er hatte mit Vater Manfred und Onkel Hans Limbach als ehemalige Stabführer zwei Vorbilder in der eigenen Familie und kann ebenfalls dem Publikum ordentlich einheizen.
Fan
Die Spielleute, ob als Stadtsoldaten im Karneval oder in ihrem festlichen Outfit mit dunklem Jacket und weißer Hose, erobern die Herzen bei Festumzügen, Vereinsfesten, beim Zapfenstreich im Handumdrehen. Anfangs trugen sie übrigens als sportliche Variante weiße Kniebundhose und schwarze Kniestrümpfe oder sie traten in edler Aufmachung mit schwarzer Jacke zu weißen Hosen und dazu Vatermörder auf. Disziplin wurde großgeschrieben, auch der exakte Aufmarsch gedrillt, so dass die Eiche-Spielleute viele Preise einheimsten. Ihr größter und berühmtester Fan war Konrad Adenauer. Der Spielmannszug des TV Eiche brachte dem Bundeskanzler regelmäßig Ständchen. Und als 1953 der Karnevalszug ausfiel, zogen die Männer zum Alten, um ihn zu erfreuen. ,,Na, Herr Schwippert, sin Se widde da? Ich meine, heute hätten Se äwer janz besonders schön für mich gespielt", sagte er nach jedem Auftritt und schüttelte Stabführer Barthel Schwippert die Hand.
Der hatte während des Ersten Weltkriegs, als das Vereinsleben ruhte, in seiner Militärzeit eine weitere Ausbildung als Musiker erhalten, war Stabführer beim Heer. Und in der englischen Gefangenschaft lernte er das Hilfsnotensystem kennen, eine Methode, mit der er nach Wiederaufnahme des Probenbetriebes als neuer Stabführer seinen Jungs leichter ,die Flötentöne beibringen" konnte. Diese Funktion übte er viele Jahre aus. Was Adenauer in der Politik war, stellte Schwippert in seinem Corps dar. Auch er war Chef und Vorbild. Und dem kleinen Fritz Oettel, der Adenauer nach einem Spiel Rosen überreicht hatte, blieb unvergessen, wie ihm als Knöppelches-Junge der Alte die Wange tätschelte und sagte ,,Juten Tach, kleiner Spielmann!" Als 1962 Honnef 100 Jahre Stadtrechte feierte und der Spielmannszug seinen 50. Geburtstag, war er gleichzeitig Ausrichter des ersten Landestreffens der Rheinischen Spielmannszüge. Für den Bundeskanzler in Rhöndorf spielten damals über 300 Teilnehmer. Ganz besonders schön selbstverständlich.
Und ganz besonders schön spielen die Eiche-Männer in diesen Wochen für alle Jecke und natürlich für ihr eigenes Prinzenpaar, das von einer Woge der Zuneigung getragen wird bei allen Gesellschaften. Norbert I. und Karin I. sind überwältigt und freuen sich schon jetzt auf den Siebengebirgszug am Karnevalssonntag durch Bad Honnef. ,,Schon die Proklamation im Honnefer Kursaal vermittelte uns ein Gefühl, dass die Leute uns extremst zeigen wollten, dass sie sich über unsere Regentschaft freuen", meint Karin I. ganz ergriffen.
Viele Termine stehen noch an. Etwa die Rathauserstürmung am Karnevalssamstag: Im bürgerlichen Leben sind die beiden Regenten Rathausbedienstete. Diesmal müssen sie als Tollitäten freilich dem Bürgermeister gemeinsam mit ihren Stadtsoldaten den Schlüssel abringen. Alles hat ein Ende - sobald Prinz Norbert am Veilchendienstag die Federn gerupft sind, reiht er sich wieder als Flötist in seine Truppe ein. oro