Rheinländer und Karneval - das sind zwei, die einfach zusammengehören. Manchmal gilt diese quasi naturgegebene Einheit auch für „gelernte" Rheinländer. Wie die in Hamburg geborene Steffi Stümer. Seit 28 Jahren tanzt die 34-Jährige bei den Oberdreeser Blauen Funken. Trainingsteams, KG ,,Bekömme Dich net drömm" und Tänzerinnen leben damit seit Jahrzehnten aktiv Inklusion. Denn Steffi Stümer hat das Down-Syndrom.

Auf der Bühne ebenso wie beim Training ist die 34-Jährige voll konzentriert. Wenn Co-Trainer Robin Scharrenbroich den insgesamt neun Mädchen der Rasselbande" der Oberdreeser Blauen Funken auch noch einmal zuruft: „Lächeln nicht vergessen!", so braucht Steffi Stümer keine Erinnerung, denn sie strahlt schon übers ganze Gesicht. „Kopf mitnehmen, Hände an die Seite, Finger strecken“, erinnert Robin Scharrenbroich die Mädchen. Steffi macht es ganz korrekt und kommentiert: ,,Das mache ich doch immer." Das bestätigt ihr Trainer: „Stimmt. Und Du lachst auch immer."
,,Ich liebe Karneval. Ich komme aus Hamburg und da gibt es keinen Karneval. Hier finde ich alles gut an Karneval", ist ihr das Wichtigste. Konditionell kann Steffi auch mit schnellen Marschschritten mithalten. Wenn es bei anderen Figuren schwierig wird, bekommt sie einen eigenen Part, erläutert das Trainingsteam. „Wir binden Steffi mit ihren Möglichkeiten ein", ist sich das Trainingsteam Andrea Craezer, Birgit Höckendorf und Robin Scharrenbroich einig. Dass dazu auch gehört, dass Steffi eben entsprechend ihren Möglichkeiten in der Altersgruppe der ansonsten elf- bis 16-jährigen Mädchen der ,,Rasselbande" quasi stehen geblieben ist.
Für die 34-Jährige selbst spielt das keine Rolle. Sie liebe eben Karneval und sei immer stolz, wenn die Menschen im Publikum klatschen, sagt sie. Besonders gern macht Steffi den Spagat, bei dem die Beine so weit gespreizt werden, dass sie eine gerade Linie bilden. Wenn andere dafür lange und hart trainieren müssen, macht er Steffi keinerlei Mühe, denn: ,,Den konnte ich schon immer, schon seit der Geburt."
Wie Mutter Silvia Stümer dazu erläutert, habe ihre Tochter ,,von Geburt an diese überstreckbaren Gelenke". Tanzen als Training sei insgesamt ,,unheimlich gut“ für ihre Tochter. Wenn ihr Körper auch aufgrund des Down-Syndroms etwas kräftiger sei, habe sie zum Glück - anders als andere Betroffene - keine Herzprobleme. Ihre Schwächen kompensiere Steffi durch ein ausgeprägtes Gedächtnis. Und nicht zuletzt durch ihr „tolles Wesen". Mit dem hat sie die Herzen der Oberdreeser und der Karnevalsjecke von Anfang erobert. Als die Familie 1995 von Hamburg nach Oberdrees gezogen war und die damals sechsjährige Steffi zum ersten Mal die Tanzgruppen gesehen hatte, war sie sofort Feuer und Flamme und wollte gerne mittanzen.
,,Die damaligen Trainerinnen Carola Scherer und Annegret Gierlich haben gesagt, dass sie zwar keine Erfahrungen mit Down-Syndrom hätten, wollten es aber versuchen", erinnert sich Silvia Stümer. Auch der damalige Präsident der Oberdreeser KG ,,Bekömme Dich net drömm", Heinz Schneppen, habe gleich zugestimmt. Diesen Dreien sei es vor allem zu verdanken, dass ihre Tochter mit dem Tanzen bei den Funken habe anfangen dürfen. Seither ist es quasi Ehrensache für die nachfolgenden Trainerteams und Karnevalisten, Steffi zu integrieren. Nur einmal in all den Jahren habe es ein Akzeptanzproblem gegeben, das aber durch persönliches Engagement von Trainerinnen ausgeräumt werden konnte.,, Die Kinder hatten nie ein Problem mit Steffi. Sie fragen halt, warum sie so aussieht. Das erkläre ich dann und gut ist", sagt die Mutter.
Dass die anderen Tänzerinnen der ,,Rasselbande" Steffi integrieren, zeige auch, dass zwei Nachbarsmädchen sie regelmäßig zum Training abholen und zurückbegleiten, und auch zu Steffis Geburtstagsfeier gekommen seien. Gleichzeitig bedauert Mutter Silvia: ,,Es ist aber leider eine riesengroße Ausnahme. Das ist eigentlich traurig." Sie sieht es im Rückblick als Glücksfall, dass die Familie nicht wie ursprünglich geplant in die Stadt, sondern ins Dorf nach Oberdrees gezogen war. ,,Steffi hat einfach ein Recht, in Frieden groß zu werden. Das ist hier im Dorf optimal." sax