Seit 1982 ist Dr. Helmut Glaubitz Apotheker in Bonn, seit 1986 betreibt er die Flora Apotheke im Herzen von Poppelsdorf. Eine alte Apothekeneinrichtung, die sich mindestens bis 1891 zurückdatieren lässt, macht das Geschäft heute zu einer Besonderheit. Glaubitz hat die Einrichtung im Offizin, die heute vor allem junge Menschen an den Begriff Apotheke bindet, als Denkmal schützen lassen. Viele andere Einrichtungsgegenstände, die er heute nicht mehr nutzen kann, hat der Apotheker dem Poppelsdorfer Heimatmuseum gespendet, wo sie heute eine eigene Abteilung bilden.

Was sich in den vergangenen 50 Jahren verändert hat im Umgang mit Pillen und Salben, mit Medikamenten und anderen Waren, die eine Apotheke ausmachen? ,,Alles. Wirklich alles!" Da könnte man meinen, dass einem viel beschäftigten Unternehmer irgendwann der Spaß an den Entwicklungen vergeht. Aber Dr. Glaubitz ist Apotheker in dritter Generation, und die Freude ist ihm trotz übermäßiger Bürokratie, trotz Lieferketten-Engpässen und veränderten Geschäftsbedingungen nicht vergangen.

,,Natürlich gibt es immer mal wieder Schwierigkeiten", sagt der 73-jährige Apotheker beim Gespräch. „Aber man lernt ja, immer neue Wege zu suchen, und dann die bestmögliche Lösung zu finden. Das sind wir unseren Kunden einfach schuldig!" Man hört eine Einstellung heraus, die das Apothekengesetz sehr ernst nimmt. In dem heißt es in: § 1. ,,Den Apotheken obliegt die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln."

Nicht alle Apotheken nehmen es mit diesem öffentlichen Auftrag so ernst wie Dr. Glaubitz und sein Team. So haben die Flora-Beschäftigten im Winter, als Paracetamol für Kinder extrem knapp wurde, als eine der wenigen Apotheken in Bonn selbst entsprechende Zäpfchen gegossen. ,,Die Kosten und der Aufwand, der damit verbunden waren, standen in keiner Relation zu dem Betrag, den wir nehmen durften", erzählt der leidenschaftliche Apotheker. Aber die ,,ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln" war ihm dieser Aufwand wert.

15 Angestellte beschäftigt die Flora Apotheke, darunter drei approbierte Apothekerinnen - und längst nicht alle sind immer in dem schönen Ambiente des Verkaufsraums beschäftigt. „Allein für die ganze Bürokratie braucht man mindestens eine Vollzeitstelle", erklärt Dr. Glaubitz. Und jeden Morgen prüft das Team, welche Medikamente gerade am Markt verfügbar sind was davon gebraucht wird, bestellt man. „Es ist ein bisschen wie am Gas- und Ölmarkt", erklärt er.

Jenseits sichtbaren des für Kunden Bereichs liegt der Keller, den man über eine Wendeltreppe erreicht. Dort ist Gabriele Philippsen in ihrem Element. Die Pharmazeutisch Technische Angestellte (PTA) hat sich nach 30 Arbeitsjahren in einer Meckenheimer Apotheke vor einigen Jahren hier neu spezialisiert. Heute mixt sie aus Zutaten in unzähligen Dosen chinesische Tees.

Das hört sich profan an, ist aber hochkomplex und mit enorm viel Dokumentation und Feinarbeit verbunden. Alle Inhaltsstoffe müssen geprüft, gewogen und dokumentiert werden. Passen die Mengen, die ein Arzt mit der Zulassung für Traditionelle Chinesische Medizin TCM auf das Rezept geschrieben hat, überhaupt zusammen? Sind alle Inhaltsstoffe für die Apotheke ethisch vertretbar? Stopp... was war das? ,,In der TCM kommen durchaus auch tierische Produkte wie Schildkrötenpanzer oder Nashorn-Hörner vor - die wir aber nicht mehr verwenden", erklärt die Tee-Expertin.

Zusätzlich muss, und hier zieht sich die Information durch die ganzen Apotheken-Abläufe, die Sicherheit der Lieferketten gewährleistet sein. Und damit sind nicht die Zeit und die Verfügbarkeit gemeint sondern die Zuverlässigkeit der Inhaltsstoffe. Eingangskontrolle, Identitätskontrolle, Plausibilitätsprüfung, Analysezertifikat... all dies sind Ausdrücke, die der Kunde im schönen Verkaufsraum nie hört und vermutlich auch nicht ahnt.

Immer wieder lässt sich in den Hinterzimmern der Flora Apotheke beobachten, wie Angestellte mit Mikroskopen oder anderen technischen Geräten die Inhalte prüfen und deren Sicherheit dokumentieren. Ein falscher Griff, ein paar Gramm zu viel eines bestimmten Stoffes ,beispielsweise weil ich durch ein Gespräch abgelenkt bin", und schon kann das gravierende bis tödliche Folgen haben. Allein für einen Tee, der für eine Kundin der TCM hergestellt wurde, können bis zu zehn Minuten nur für die Dokumentation anfallen.

Dr. Glaubitz und sein Team fertigen noch selbst bestimmte Teesorten an. Auch das machen längst nicht mehr alle Apotheken, obwohl sie theoretisch dazu verpflichtet wären. Aber auch hier sind der Dokumentations-, Hygiene- und sonstige Aufwand enorm hoch. „Für uns gehört es aber zum Aufgabengebiet des Apothekers", sagt Dr. Glaubitz. Es ist für ihn gar keine Frage, solche Aufgaben zu übernehmen.

Ganz wichtig bei dieser Philosophie ist auch das Wissen um die natürlichen Bestandteile, die Medizin so erfolgreich macht. ,,Diese Kenntnisse, wie wir sie heute noch in der Traditionellen Chinesischen Medizin sehen, gab es ja auch hierzulande viele Jahrhunderte lang", erläutert der Apotheker und fügt hinzu: ,,Nur haben unsere Vorfahren die Trägerinnen dieses Wissens irgendwann mal verbrannt."

Vermutlich ist es auch genau diese tiefe naturwissenschaftliche Ethik, die ihn dazu bringt, als eine der wenigen Apotheken in Bonn Substitutionsmedikamente bereitzustellen, also Ersatzdrogen für Suchterkrankte.

Von Jörg Wild

KOSMETIK

Schönheitsprodukte aus der Apotheke

Ein Bereich der Flora Apotheke ist bestückt mit Kosmetik-Produkten. „Viele Kundinnen fragen danach, denn wir verkaufen hier natürlich Produkte, die bestimmte Auflagen erfüllen müssen. Die haben einen bestimmten medizinischen Touch", erklärt Dr. Glaubitz. Zu der Abteilung gehört auch ein eigener - von der Apotheke abgetrennter - Behandlungsraum mit einer Kosmetikerin als Fach-Angestellte. jöw