Notfallsanitäter haben einen schweren, aber auch abwechslungsreichen Job. Die Vielfalt, die Unvorhersehbarkeit des Alltags, die immer neuen Erlebnisse - das macht den Reiz der Arbeit aus.

Notfall- und Rettungssanitäter, Bonn: Profis im Rettungswagen

Zum Glück nur eine Übung - aber solche Situationen sind Alltag für die Rettungskräfte der Bonner Feuerwehr. FOTO: FEUERWEHR BONN

Eigentlich will niemand von uns sie in ihrer Berufsausbildung um Hilfe bitten müssen - und doch können wir heilfroh sein, dass es sie gibt, und dass sie mit so unglaublicher Leidenschaft ihren Job erledigen: Notfall- und Rettungssanitäter. Wir haben uns mit zwei von diesen Helfern des Alltags getroffen und viel über ihre Arbeit erfahren.

Morgens um 8 Uhr auf der Feuer- und Rettungswache 1 der Bonner Berufsfeuerwehr herrscht schon geschäftiges Treiben. Die 24-Stunden-Schicht beginnt um 7 Uhr, ab dann sind alle in ihrem Element. Das gilt auch für den Pressesprecher der Feuerwehr, Frank Frenser, und für Kristoffer Karlisch. Gleich am Anfang des Gesprächs müssen wir herausfinden, was die beiden Herren hier genau tun. Es soll ja schließlich um Rettungswagen-Besatzungen gehen, aber Frenser und Karlisch sprechen von Feuerwehr-Einsätzen. „Jeder von uns ist beides", erklärt der Pressesprecher und macht damit gleich deutlich, dass hier sowohl Brand- als auch Rettungsexperten ihren Dienst leisten.

In der Leitstelle der Bonner Berufsfeuerwehr kommen immer mehr Notrufe an, die nicht wirkliche Notfälle sind. FOTO: JÖRG WILD
In der Leitstelle der Bonner Berufsfeuerwehr kommen immer mehr Notrufe an, die nicht wirkliche Notfälle sind. FOTO: JÖRG WILD

Und noch eine Besonderheit wird schnell deutlich: Die meisten Einsatzkräfte sind als Seiteneinsteiger zur Berufsfeuerwehr gekommen. Frenser ist ursprünglich Biologie-Laborant und studierter Biologe, Karlisch arbeitete als Dachdecker, der aber auch schon in unzähligen anderen Jobs unterwegs war. Wer aber mal bei der Bonner Berufsfeuerwehr war, der bleibt auch. Warum, das wird im Lauf des Gesprächs klar.

Aber zunächst zum Alltag. Der beginnt wie erwähnt um 7 Uhr. Schon vor der Schicht weiß der Mitarbeiter, ob er als Rettungssanitäter unterwegs sein wird oder auf einem Löschzug. „Fest steht, wir haben deutlich mehr Rettungseinsätze als Brände. Das Verhältnis liegt bei 30 000 zu 1000 pro Jahr." Der Tag beginnt mit einer Prüfung des Wagens und seiner Einsatzbereitschaft. Ist alles da, alle Geräte geladen, alle Rettungstaschen vollständig? Ab jetzt kann jeder sofort loslegen. Kommt kein Einsatzbefehl, stehen Werkstattdienste, ganz unterschiedliche Sportangebote und Weiterbildungen auf dem Programm. „Bis vor kurzem gab es zum Beispiel keine E-Autos, heute wird von uns erwartet, dass wir wissen mit den Besonderheiten dieser Fahrzeuge umzugehen und wie man ein E-Auto löscht-heute ist das lebenswichtig", erklärt Frenser eine typische Weiterbildung.

Aber natürlich sind die Einsätze das wichtigste Tagesgeschäft. ,,Meist sind das gar nicht so spektakuläre Fälle, wie ein Außenstehender vielleicht meint", sagt Kristoffer Karlisch. „Es sind ganz oft wirklich skurrile Fälle - die dann auch im Gedächtnis bleiben.“ Zum Beispiel? ,,Na, wenn sich jemand hinter einem Hochbett einklemmt und nicht mehr rauskommt“, berichtet er schmunzelnd. Jetzt, im Rückblick, ist das lustig. Aber für den Betroffenen natürlich nicht, und deshalb nimmt man als Rettungssanitäter auch solche Fälle immer ernst. „Wir machen uns absolut niemals über irgendeinen Menschen oder irgendeine Situation lustig."

Kristoffer Kardisch und Frank Frenser sind Feuerwehrmänner und Unfallsanitäter aus Leidenschaft. FOTO: JÖRG WILD
Kristoffer Kardisch und Frank Frenser sind Feuerwehrmänner und Unfallsanitäter aus Leidenschaft. FOTO: JÖRG WILD

Oft ist die Situation ja auch nicht witzig. Herzinfarkte beispielsweise oder Unfälle. ,,Die bearbeiten wir aber nach einem sehr strikten Schema und mit einer sehr, sehr nüchternen Professionalität und Kommunikation", berichten die beiden unisono. Das hilft nicht nur bei der Vermeidung von Fehlern, sondern man wahrt auch die Distanz, die nötig ist, um problematische Fälle nicht zu nah an sich heran kommen zu lassen. ,,Wobei wir das auch so schon sehr gut meistern", berichtet Karlisch. ,,Man ist ja nie allein, man hat immer jemanden zum Sprechen und Austauschen, wenn es zu nahe geht. Aber nach Schichtende können wir eigentlich auch die Erlebnisse hier in der Wache lassen. Ich habe das System, das ich mit meiner Arbeitsuniform auch die Erlebnisse hier lasse." Die Zeiten, in denen harte Kerle ihre Probleme mit einem Schnaps runtergespült haben, sind längst vorbei. Für ganz schlimme Erlebnisse, die sich einfach abschütteln lassen, gibt es immer auch professionelle Gesprächsangebote.

Aber wie gesagt: Die Vielfalt, die Unvorhersehbarkeit des Alltags, die immer neuen Erlebnisse - das macht den Reiz der Arbeit aus. Da lernt man auch, mit der Tatsache zu leben, dass man immer gefilmt wird. Irgendjemand ist todsicher immer mit dem Handy da, der einen aufnimmt." Das nervt, aber es gehört dazu. Genauso wie die immer höhere Taktung, in der Rettungsdienste gerufen werden. ,,Zum Glück sind unsere Kollegen in der Leitstelle sehr gut darin, diejenigen Anrufer zu erkennen, die wegen Bagatellen anrufen." Aber es bleiben trotzdem noch die Notrufe wegen Bauchweh, das der Patient schon seit Wochen hat, das ihn aber am Sonntag besonders zwickt. Oder die Schnittwunde, bei der es auch mal ein dickes Pflaster getan hätte.

Und dazu gehört auch, dass man gelegentlich in kritische, vielleicht gewalttätige Situationen gerät. ,,Dann treten wir sehr schnell zurück und rufen die Polizei. Die kann damit besser umgehen“, meint Frenser. Aber natürlich brauchen auch solche Patienten Hilfe, bei denen es sich meist um Alkohol-, Drogen- oder psychische Erkrankungen handelt.

Und so vergehen die Tage wie im Flug. ,,Am Kofferband im Flughafen zu warten, dauert für mich gefühlt länger als eine 24-Stunden-Schicht" berichtet Kristoffer Karlisch und fügt hinzu: ,,Ich liebe diese Arbeit, das ist echt so erfüllend. Meine Kollegen und meine Freunde können es schon gar nicht mehr hören, wenn ich ständig so begeistert davon erzähle. Aber so ist es nun mal!"

Wohl auch deshalb werden die beiden Rettungsexperten auch bis zur Pensionierung hier arbeiten. Es gibt im Team der 420 Bonner Feuerwehr-Mitarbeiter so viele Weiterbildungs- und Einsatzmöglichkeiten, dass für sie auch dann etwas zu tun sein wird, wenn sie vielleicht nicht mehr täglich schwere Patienten tragen wollen.

Der Job ist mit Sicherheit hart und anstrengend. Aber nach 24 Stunden ist für 48 Stunden frei. „Das ist natürlich perfekt für eine Familie, für Freizeitgestaltung, für Hobbies und beispielsweise ein berufsbegleitendes Studium." Karlisch studiert gerade Emergency and Rescue Management. Man weiß ja nie, was noch kommt.

VON JÖRG WILD


RETTUNGSSANITÄTER

Aus- und Weiterbildung

Jeder Feuerwehrmann muss auch Rettungssanitäter werden. Damit ist er dann berechtigt, auf einem Rettungswagen Dienst zu leisten. Die Ausbildung dauert drei Monate, sie beinhaltet je einen Monat Theorie, Krankenhaus-Arbeit und Begleitung auf dem Rettungswagen. Daran anschließend kann man eine Ausbildung zum Notfallsanitäter absolvieren, die drei Jahre dauert. jöw