Viele Beschäftigte fühlen sich überlastet - vor allem in Branchen, die anderen helfen. Was macht solche Berufe so besonders stressig?
Daniela Wagner: Mitarbeitende im medizinischen oder im pflegerischen Bereich sind tatsächlich im Vergleich zu anderen Beschäftigten in ihrer täglichen Arbeit am meisten belastet. Zum einen haben wir haben ja in vielen Einrichtungen einen Mangel an Pflegenden, deshalb sind sie sehr beansprucht. Im Tagesgeschäft haben viele nicht einmal mehr die Zeit, eine kurze Pause einzulegen - zumindest nicht ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, weil die Patienten und Pflegebedürftigen warten müssen. Und genau das ist ein wichtiger Punkt: Gerade emphatische Menschen, die sich für andere einsetzen, vergessen dabei ihre Bedürfnisse. Sie sehen das Leid der Patienten. Im Vergleich geht es ihnen selbst sehr gut. Sich in dieser schwierigen Situation kurz herauszuziehen und den eigenen Bedürfnissen nachzugehen, gestatten sich viele Menschen erst gar nicht. So selbstlos das auch ist, am Ende steht oft die Erschöpfung oder Burnout. Es ist in stressigen Jobs umso wichtiger, für sich selbst zu sorgen. Self Care dient dazu, die Balance zu finden, einerseits für andere da zu sein und gleichzeitig die eigenen Grenzen auszuloten und vor allem zu respektieren. Urlaub für die Seele ist das höchste Gebot - als Prävention, um Burnout zu vermeiden. Möchte man eine Veränderung erzielen, muss man bei sich selbst beginnen.
Wie kann das im hektischen Tagesgeschehen gelingen?
Wagner: Im Prinzip geht es um Harmonisierung des Körpers, der Energie und des Mentalen. Achtsamkeit ist auf allen drei Ebenen entscheidend. Es geht darum, die eigenen Bedürfnisse zu kennen und sie auch achtsam zu kommunizieren und zu leben. Eine Sofort- oder gar eine allgemein gültige Lösung, um diese Balance zu erreichen, gibt es nur leider nicht. Jeder muss für sich selbst ein Bewusstsein schaffen und erfahren, was es genau bedeutet wieder in einer gesunden Balance zu leben und wie er Stress vorbeugen kann. Es gibt mehrere Möglichkeiten sich auf diesem Gebiet zu fördern und eine nachhaltige Resilienz aufzubauen. Nach meiner Erfahrung kann man dies am besten in Gemeinschaft mit anderen zum Beispiel in Seminaren oder Kursen lernen, aber auch ein individuelles Training ist möglich. Teilweise werden solche Stressmanagement-Kurse sogar von der Krankenkasse gefördert.
Was macht diese Bewusstseinsarbeit aus?
Wagner: Um eine ganzheitliche und nachhaltige Widerstandskraft aufzubauen, ist es wichtig alle Teile, die uns Menschen ausmachen, einzubeziehen. Das bedeutet: Zunächst kommt es darauf an, das Bewusstsein für den eigenen Körper zu stärken - diesen wieder zu spüren und seine Signale zu deuten. Die Sprache des eigenen Körpers zu verstehen, ist die Grundlage. Dann geht es darum, durch Atemlenkung unser Nervensystem zu beruhigen sowie Momente der Ruhe und Entspannung generieren zu können. Leider haben wir gelernt, unsere eigenen Grenzen bis zur Erschöpfung zu übergehen. Wir verstehen den Zusammenhang nicht immer gleich. Seminare helfen dabei, das Verständnis für den eignen Körper und die Bedürfnisse zu stärken und sich achtsamer danach auszurichten. emn
ZUR PERSON
Daniela Wagner ist Trainerin für Stressmanagement und Achtsamkeit sowie Yogalehrerin im Präventionsbereich. Die Inhaberin des Instituts Mindful Monkey Yoga in Bonn zeigt unter anderem im Auftrag von Firmen Mitarbeitenden mit einer besonders hohen Arbeitsbelastung in Seminaren, wie sie sich vor einem Burnout schützen können. Self Care lautet für sie der Schlüssel zum Erfolg. emn