Der Krieg in der Ukraine, die Inflation und in Folge der Zinsanstieg verunsichern viele Immobilienkäufer: „Die Nachfrage D nach Immobilienfinanzierungen wird nach wie vor von der generellen Zurückhaltung der Marktteilnehmer im Immobilienmarkt bestimmt“, sagt Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Pfandbriefbanken. Dies führe zu weniger Transaktionen und damit auch zu einem geringen Neugeschäft bei den Immobilienfinanzierungen“, so Tolckmitt. Und solange die Unsicherheit über die weitere Preis- und Zinsentwicklung noch nicht abgeschlossen sei, „dürfte auch die Nachfrage nach Finanzierungen verhalten bleiben“, prognostiziert Tolckmitt.
Zurückhaltende Nachfrage
Diese Einschätzung teilt Michael Carl, Abteilungsleiter für den Immobilien- und Grundstücksvertrieb bei der Volksbank Köln Bonn: „Die Stimmung ist zwar weiterhin so gut, dass Menschen gerne Eigentum erwerben möchten. Aber die Nachfrage ist schon sehr zurückhaltend. Die Preise sind für manche Interessenten einfach nicht mehr darstellbar“, so Carl. Ein Hintergrund sind die gestiegenen Zinsen, die Finanzierungen deutlich verteuern. Sobald sich der Gesamtkaufpreis über 500 000 bis 600 000 Euro bewegt, wird die Luft ganz dünn“, beobachtet auch Bernd Meier, Direktor Kooperationen Bauträger Immobilienvertriebe beim Baufinanzierer Hüttig & Rompf in Köln. Die monatlichen Belastungen bei neu abgeschlossenen Hypothekendarlehen sind für Selbstnutzer laut Hüttig & Rompf im Jahresvergleich um 18,5 Prozent auf im Schnitt zuletzt 1.841 Euro gestiegen. Kapitalanleger müssen 13,5 Prozent mehr auf den Tisch bringen als zuvor. Gerade für viele Bau- und Kaufinteressenten, die ihre Immobilie selbst bewohnen wollen, sei die Belastungsgrenze erreicht oder überschritten. Man muss bedenken: „Grob kalkuliert benötigt eine vierköpfige Familie mit einer monatlichen Finanzierungsrate in Höhe von 2500 Euro ein monatliches Nettoeinkommen von rund 7500 Euro, um ihre Immobilie stressfrei abbezahlen zu können“, sagt Henning Dieke, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Cloudberry Real Estate GmbH. „Jede Kundin und jeder Kunde mit Interesse an einer eigenen Immobilie sollte trotz gestiegener Zinsen das Gespräch mit uns suchen“, rät Mejreme Ristemi, Abteilungsleiterin Baufinanzierung bei der Volksbank Köln Bonn eG. „Wir zeigen Alternativen auf und gehen diese mit dem Kunden und der Kundin durch. Sollte eine Finanzierung aufgrund der finanziellen Lage aktuell noch nicht möglich sein, gehen wir gemeinsam in die Zukunftsplanung und zeigen auf, wann und wie eine Finanzierung möglich ist.“ Die niedrigen Zinsen der Vorjahre könnten auch weiterhin mit einem Bausparvertrag gesichert werden. Die Höhe des Eigenkapitals habe sich bei der Volksbank Köln Bonn eG nicht wesentlich verändert. „Kann oder will der sich der Kunde die deutlich erhöhte Annuität nicht leisten, so muss er mehr Eigenkapital einbringen, um die monatliche Belastung zu reduzieren.“ Zudem nehme die Bank auch wahr, dass Kaufpreisverhandlungen verstärkt möglich sind, sagt Mejreme Ristemi. „Diese Chance sollte man nutzen.“
Volksbank Köln Bonn eG
Die Immobilienkäufer müssen deutlich genauer kalkulieren als noch vor einem Jahr. „Grundsätzlich hat sich bei unseren Kunden die Eigenkapitalquote im Schnitt um fünf bis sechs Prozent erhöht. Das ist sehr viel, wenn man vom Durchschnitt ausgeht“, sagt Meier. Er nennt Zahlen: „Bis 2022 lagen wir durchschnittlich bei einer Quote von 92 bis 93 Prozent Beleihungsaufwand, definiert als Darlehensvolumen in Bezug auf den Kaufpreis. Inzwischen sind wir bei 87 Prozent“, so Meier. In der Praxis bedeutet dies, „dass inzwischen sehr viele Kunden 30 Prozent Eigenkapital oder mehr mitbringen“, so der Experte von Hüttig & Rompf. Nach seiner Erfahrung ist es heute deutlich schwieriger als zuvor, eine Finanzierung von einer Bank zu bekommen. Das betrifft insbesondere Käufer, die zusätzlich zu den Erwerbsnebenkosten weniger als 20 Prozent Eigenkapital haben.
Um die Raten niedrig zu halten, verringern auch viele Immobilienkäufer ihre Tilgung. Statt wie bisher drei oder zwei Prozent der Darlehenssumme abzuzahlen, entscheiden sich zahlreiche Eigenheimer und Kapitalanleger heute für eine niedrige Anfangs-Tilgung von nur einem Prozent. Entsprechend laufen die Finanzierungen bei gleicher Annuität etwas länger als zuvor. Dieser verlängerte Zeitraum ist durch die annuitätische Darlehensform allerdings überschaubar. Besser in Eigentum investieren als auf Dauer Miete zahlen“, empfiehlt Meier.
PSD Bank West eG
René Königshausen, Vorstandsvorsitzender der PSD Bank West eG, hebt aber auch das Positive hervor: „Aufgrund der über ein Jahrzehnt währenden Niedrigzinsphase konnten sich noch nie so viele Menschen wie in den letzten Jahren den Erwerb von Wohneigentum leisten. Wir erleben jetzt wieder eine Zinslandschaft mit drei bis vier Prozent Realkreditkonditionen. Unsere Eltern haben damals ihre Häuser noch zu wesentlich höheren Konditionen finanziert. Diesen Aspekt sollte man bei der Bewertung des heutigen Zinsniveaus auch berücksichtigen.“ Unabhängig von der Anschaffung einer eigenen Immobilie stellt Königshausen fest: „Der aktuelle Wohnmarkt ist in seiner Gesamtheit von Preissteigerungen betroffen - unabhängig davon, ob die eigenen vier Wände finanziert werden, oder ob eine Wohnung angemietet wird. Denn auch Vermieter werden steigende Immobilienkosten in Form von höheren Nebenkostenpauschalen auf ihre Mieter umlegen.“
Auch Mejreme Ristemi (Volksbank Köln Bonn eG) geht davon aus, dass Mietpreise in Zukunft weiter steigen werden. „Die eigene Immobilie ist zum einen Schutz gegen steigende Mietpreise und Inflation und zum anderen eine essentielle Säule der Altersvorsorge.“
VON EVA NEUTHINGER