Die Herausforderungen des Mieterstroms: Abrechnung und rechtlichen Rahmenbedingungen

INTERVIEW MARKUS GELDERBLOM - Hauptgeschäftsführer von Haus & Grund Bonn/Rhein-Sieg: "Viel zu kompliziert und risikoreich"

Mehrfamilienhaus mit Solaranlage. FOTO: GETTY IMAGES/MARYANA SERDYNSKA

Bei der angestrebten Energiewende spielt das Thema „Mieterstrom“, also die Errichtung von PV-Anlagen auf Mietimmobilien und die Versorgung der Mieter mit regenerativ erzeugtem Strom, eine höchst gewichtige Rolle. Schließlich gibt es rund 40,5 Millionen Haushalte in Deutschland. Doch bei der Umsetzung des Mieterstroms tut sich ein Riesenproblem auf: Wie wird dieser abgerechnet, vor allem wer darf diesen anbieten? Diese Frage stellt sich auch bei Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) und Millionen Wohnungseigentümern. Wie sich dieses Problem lösen lässt, treibt auch Markus Gelderblom, Hauptgeschäftsführer von Haus & Grund Bonn/Rhein-Sieg, in besonderer Weise um. GA-Autor Axel Vogel hat ihn dazu befragt.

Herr Gelderblom, warum ist die Situation so herausfordernd?

MARKUS GELDERBLOM: Deutschland strebt bis 2035 Treibhausgasneutralität im Stromsektor an. Als wichtiger Zwischenschritt soll bis 2030 der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch auf 80 Prozent steigen. Im EEG 2023 wurde hierfür die jährliche Ausbaumenge für die Photovoltaik von derzeit 7 Gigawatt (GW) auf 22 GW pro Jahr angehoben. Bis 2030 sollen etwa 215 GW Solarleistung in Deutschland installiert werden, jeweils zur Hälfte auf Dächern und auf Freiflächen.

Ist das zu schaffen?

GELDERBLOM: Lassen Sie es mich mal so sagen: Der Einsatz effizienter oder erneuerbarer Energietechnik im Wohngebäudebereich ließe sich deutlich erhöhen, wenn Strom aus einem BHKW oder einer Photovoltaik-Anlage unbürokratisch an die Mieter weitergegeben werden könnte. „Mieterstrom“ soll den im Wohnquartier erzeugten Photovoltaik-Strom (PV-Strom) ohne Umwege zum Mieter oder Eigentürmer bringen. Mieterstromangebote von Wohnungsanbietern dürfen dabei aber ausdrücklich nicht bundesweit tätigen Energielieferanten gleichgestellt werden.

Was bedeutet das in der Konsequenz?

GELDERBLOM: Die aktuelle gesetzliche Regelung zum Mieterstromvertrag ist viel zu kompliziert und für den Vermieter zudem mit dem Risiko behaftet, dass die Mieter den produzierten Strom letztlich nicht oder nicht dauerhaft abnehmen müssen.

Welche Maßnahmen können zu einer Verbesserung führen?

GELDERBLOM: Der regulatorische und prozessuale Aufwand für Netzanschlüsse, Einspeisevergütungen, Messstellenbetrieb und Marktkommunikationsprozesse muss radikal vereinfacht werden, denn private Eigentümer wollen für ihre Mieterinnen und Mieter kostengünstige und nachhaltige Energie bereitstellen.

Also letztendlich auch eine Maßnahme zum Klimaschutz...

GELDERBLOM: Hundertprozentig. Denn in Verbindung mit Wärmepumpen kann hierdurch sogar lokal Wärme erzeugt werden. Wir sprechen also von nachhaltiger Energie, die dezentral auch die Stabilität unserer Energieinfrastruktur stärkt. Die aktuelle Krisensituation zeigt uns eindringlich, wie bedeutend dies ist. Für den Mieterstrom muss daher jetzt dringend ein vernünftiger gesetzlicher Rahmen geschaffen werden.

Markus Gelderblom
Markus Gelderblom

Was fordern Sie konkret?

GELDERBLOM: Mieter Wohnungseigentümer, zusammen in einem Mehrfamilienhaus leben, müssen individuellen und die Eigenversorgern gesetzlich gleichgestellt werden, und zwar auch dann, wenn die Anlage von einem Dritten betrieben wird. Der gebäudenah erzeugte Strom aus erneuerbarer Energie (EE) sollte im Gebäude Vorrang vor anderen Versorgungslösungen mit Strom haben.

Knackpunkt ist oft das Thema Abrechnung.

GELDERBLOM: Unser Vorschlag ist, dass der gebäudenah erzeugte Strom aus erneuerbaren Energien im Rahmen der Betriebskostenabrechnung durch den Gebäudeeigentümer oder einen durch ihn beauftragten Dritten als Mieterstrom, Hausstrom und Strom zur Wärmebereitstellung durch Wärmepumpen abgerechnet wird. Das ist nämlich bislang nicht möglich. Für den aus der lokalen Anlage gelieferten Strom wird ein angemessener Preis gebildet, der die Refinanzierung der Erneuerbaren-Energien-Anlage, deren Betrieb und die Verteilkosten abdeckt. Zur vollen Transparenz der Preisbildung würde sich der Vermieter verpflichten.

Es hat ja bereits gesetzliche beim MieterVerbesserungen strom gegeben. Sind die ausreichend?

GELDERBLOM: Leider nicht. Die Einführung der neuen gewerbesteuerlichen Zehn-Prozent-Grenze war zwar ein richtiger Schritt nach vorn, weil damit für die Wohnungsunternehmen, die durch PV-Anlagen ihren Mietern Strom zur Verfügung stellen - etwa auch für das Laden von E-Autos - die sehr nachteiligen steuerlichen Folgen im Rahmen der sogenannten erweiterten Gewerbesteuerkürzung beseitigt wurden. Das hilft jedoch nicht in der nötigen Breite weiter, weil sie die umfassende Umsetzbarkeit von Mieterstrommodellen willkürlich begrenzt.

Das klingt alles sehr kompliziert. Wer ist aus ihrer Sicht jetzt gefordert, was zu tun?

GELDERBLOM: Genau diese Komplexität und Bürokratie ist ja das Problem, das schreckt vor allem auch die privaten Eigentümerinnen und Eigentümer ab, die aber immerhin über 80 Prozent aller Wohnungen in Deutschland besitzen. Am Ende ist daher nicht nur eine Verbesserung der Bedingungen für Mieterstrom nötig, sondern eine radikale Neuordnung der lokalen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und eine Konvergenz der Systeme Wärme, Strom und Mobilität. Die Vorteile von Mieterstrom beziehungsweise des lokalen PV-Stroms müssen dabei auch demjenigen gewährt werden, der in die PV-Anlage investiert. Wir rufen daher den Gesetzgeber und die Bundesregierung eindringlich zu einer grundlegenden Reform auf, es muss mit dem Mieterstrom endlich ein Baustein geschaffen werden, der auch seinen Beitrag zur geforderten Energiewende leisten kann.

Was muss konkret passieren?

GELDERBLOM: Die bestehende Regelung zum Mieterstromvertrag muss derart geändert werden, dass Mieter Mieterstrom abnehmen müssen und nur den zusätzlich benötigten Strom über einen frei wählbaren Stromanbieter beziehen können. Gleichzeitig wird der Mieter, der Mieterstrom bezieht, als Eigenversorger definiert. Damit profitieren Mieter von den günstigen Regelungen zur EEG-Umlage. Bewohner kleinerer Mehrfamilienhäuser zahlen dann keine oder nur eine reduzierte EEG-Umlage. Aus diesem Grund kann der Mieterstromzuschlag entfallen.

Damit Vermieter, die Mieterstrom anbieten, zukünftig nicht als Energieversorgungsunternehmen gelten, werden Kundenanlagen zur Mieterstromversorgung definiert und ausdrücklich von dem Begriff Energieversorgungsunternehmen ausgenommen. Und ganz wichtig: Die Umlagefähigkeit von Mieterstrom im Rahmen der Betriebskostenabrechnung muss endlich kommen.