Traut Euch! Ihr könnt was!

Genau Dich suchen wir! Ein abgebrochenes Studium muss heute kein Karrierehindernis mehr sein, wie Personaler bestätigen. FOTO: GETTY IMAGES/DMEPHOTOGRAPHY

Etwa ein Drittel der Studenten bricht das Studium ab - eine recht hohe Anzahl. Doch die Chancen auf einen gelungenen beruflichen Neuanfang stehen gut

Mit 17 Abitur, gleich danach Beginn eines Studiums in einer neuen Stadt: Das ist für junge Leute häufig eine schwierige Situation. Laut der Statistik des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) steigt im Schnitt etwa ein Drittel der Studiosi frühzeitig wieder aus. Vor allem an den deutschen Universitäten ist die Quote mit 35 Prozent in den Bachelorstudiengängen recht hoch. Besonders häufig schmeißen angehende Mathematiker, Geisteswissenschaftler, Sportler oder Ingenieure das Handtuch. Ein abgebrochenes Studium muss heute aber kein Karrierehindernis mehr sein, wie Personaler bestätigen. „Wir arbeiten mit einigen Quereinsteigern bestens zusammen. Wir haben zum Beispiel IT-Spezialisten, die sich ihr Wissen selbst angeeignet haben. Das passt für uns sehr gut. Wir sagen deshalb immer: Traut Euch! Ihr könnt was! Das muss nicht zwingend dokumentiert sein", sagt Ralf Albrod, Fachbereichsleiter Personal Service bei Stadtwerken Bonn. 

Ähnlich sieht das Sabine Cox, Director Human Resources des IT-Beratungshauses CONET: „Für uns ist es kein Wunder, wenn so viele junge Menschen für sich nicht das ideale Studium finden. Schließlich gibt es kaum eine Vorselektion. Da ist es schwierig, auf Anhieb das richtige Fach herauszufiltern. Deshalb bauen wir gern eine Brücke und interessieren uns für die Studienabbrecher", so Cox.

Ein frühzeitiger Ausstieg ist für die Personaler also kein Manko. ,,Menschen, die sich im Studium umorientieren, sind einen Erfahrungsschritt weiter und haben sich intensiv mit ihren beruflichen Wünschen und Vorstellungen auseinandergesetzt“, kommentiert Brigitte Klein, Fachbereichsleiterin Personal- und Kulturentwicklung bei den Stadtwerken Bonn. Sie sieht häufig die Eltern für das Scheitern des Studiums mit in der Verantwortung: „Wir erleben in den Schulen und gerade an den Gymnasien, dass vor allem die Eltern sagen: Mein Kind soll studieren. Viele jungen Erwachsenen tut man damit  aber vielleicht keinen Gefallen, weil sie nur wegen der Erwartungshaltung von außen an die Hochschule gehen“, so Klein. Nach ihrer Erfahrung wählten einige Studienabbrecher den akademischen Weg nur, um sich zu orientieren. „Sie kaufen sich Zeit, indem sie ein Studium anfangen", kommentiert Klein. 

„Für uns ist es kein Wunder, wenn so viele junge Menschen für sich nicht das ideale Studium finden. Schließlich gibt es kaum eine Vorselektion"
Sabine Cox
CONET

Deshalb sind sie keine Versager, im Gegenteil: Für Firmen wie die Stadtwerke Bonn die sogenannten sind Studienabbrecher häufiger Kandidaten und Kandidatinnen für den Weg in eine Berufsausbildung, eventuell auch mit dualem Studium, bei dem sie Theorie und Praxis verbinden können. Eine Option, die in Deutschland immer beliebter wird - nicht nur bei Studienabbrechern. Nach Erhebungen einer Studie des Centrums für Hochschulentwicklung in Gütersloh zusammen mit dem Nürnberger Forschungsinstitut Betriebliche Bildung schnellte die Zahl der dual Studierenden, die diesen zweigleisigen Weg gehen, innerhalb von 15 Jahren um das Vierfache in die Höhe.

Kein Wunder: Denn ein duales Studium bietet den Interessenten einige Vorteile. Vor allem die Nähe zur Praxis sehen die Kandidaten als ein großes Plus. Auch sind nach der Studie nur drei Prozent der Absolventen später arbeitslos.

Bei einem regulären Bachelor sind es sechs Prozent. Der Grund liegt vor allem darin, dass die Studierenden parallel Berufserfahrung sammeln. Das steigert die Chancen am Arbeitsmarkt, wobei die dual Studierenden häufig von den Unternehmen übernommen werden. Und: Man wird während des Studiums bezahlt. Der Arbeitgeber trägt gegebenenfalls die Kosten für anfallende Studiengebühren.

Auch Valentin Lehnert (Swiss Life Select) stellt gerne Menschen ein, die ein Vollzeitstudium abgebrochen haben: ,,Solche Bewerber nehmen wir mit Kusshand." Denn häufig eigne sich für Studienabbrecher das Duale Studium bei Swiss Life Select mit deutlich mehr Praxisbezug und mit einer fundierten praxisnahen Ausbildung an der FOM Hochschule für Ökonomie & Management.

Auf der anderen Seite ist es nicht leicht, Arbeit und Studium unter einen Hut zu bringen. Dies erfordert Disziplin und Durchhaltevermögen.

Dr. Sigrun Nickel, Leiterin der Studie des Centrums für Hochschulentwicklung in bei Gütersloh, rät Bewerbern, ihrer Auswahl auf klare Vereinbarungen zwischen Hochschule und Arbeitgeber zu achten. „Es sollte geregelt sein, wie viel Zeit jeweils für die Berufsausbildung oder die Praxisphasen im Betrieb und für das Studium an der Hochschule zur Verfügung steht", so Nickel. „Aus dem Modulhandbuch des Studiengangs muss klar erkennbar sein, wie viele Kreditpunkte in der Hochschule, im Betrieb und je nachdem auch an der Berufsschule erworben werden.

Wenn die Kreditpunkte beim Praxispartner fehlen, sollte dies ein Ausschlusskriterium sein", so Nickel. Außerdem sollte es in Betrieb und Hochschule einen Ansprechpartner für die Teilnehmer geben. ,,Das sind oft Studienberatungen, studentische Tutoren und -innen oder Professoren und -innen. Auf Seiten der Arbeitgeber unterstützen die Personalabteilungen Ausbildende oder Beauftragte speziell für diesen Bereich."
VON EVA NEUTHINGER