In den Startlöchern

Michael Pieck FOTO: JO HEMPEL

Die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg unterstützt Unternehmensinhaber und ihre Nachfolger bei Abgabe und Übergabe. VON SILKE MENY

VON SILKE MENY

Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn schätzt, dass in Deutschland von 2022 bis 2026 rund 190 000 Übergaben von Familienunternehmen anstehen -38 000 Übergaben pro Jahr. Warum? Weil ihre Eigentümerinnen und Eigentümer aus persönlichen Gründen aus der Geschäftsführung ausscheiden. Mit fast 40 000 Unternehmen wird es die meisten Nachfolgen in Nordrhein-Westfalen geben. Auch bei den Mitgliedsunternehmen der Industrie- und Handelskammer Bonn/ Rhein-Sieg (IHK) ist die Nachfolge bei rund einem Drittel ein großes Thema - allein, weil eine Vielzahl der Inhaber über 55 Jahre alt ist. Die IHK geht von rund 12 500 Unternehmen aus, die in den nächsten Jahren zur Übernahme anstehen.

Sowohl die Abgabe als auch die Übernahme eines Unternehmens ist jedoch mit einer Vielzahl von Herausforderungen verbunden und sollte im Idealfall frühzeitig und umfassend vorbereitet werden, besonders wenn kein Nachfolger in der Familie bereitsteht, rät Michael Pieck, Gesamtbereichsleiter Unternehmensförderung und Servicecenter bei der IHK. ,,Viele Unternehmensinhaber fangen erst mit 60 Jahren aufwärts an nach einem Nachfolger zu suchen, das ist vielfach zu spät", sagt er. Pieck und seine Kollegen begleiten pro Jahr eine Vielzahl an Unternehmensnachfolgen-von der Vermittlung von Unternehmensinhabern und deren Nachfolgern bis hin zu Informationen und Kontakten zum Übernahmepreis oder auch zu Finanzierungsfragen.

„Am besten machen Unternehmensinhaber grundsätzlich und unabhängig vom Alter einen Notfallplan, falls sie zum Beispiel einmal länger krank sind oder einen Unfall haben. Das ist auch der erste Schritt zu einer Nachfolgeplanung", erklärt Pieck. Das Erstellen dieses Plans hat den Vorteil, dass im Notfall - und eben auch für die Nachfolge - wichtige Unterlagen bereits sortiert sind und zum Beispiel geregelt ist, wer das Unternehmen vorübergehend weiterführt, wer Bankvollmachten, Schlüssel und Passwörter besitzt und wie die Familie finanziell abgesichert ist.

Wer beginnt, den Stabswechsel konkret vorzubereiten, sollte sich die Frage stellen, wie die Zukunft seines Unternehmens aussehen soll. Oft geht es bei Problemen um die Feststellung des Unternehmenswerts. „Das ist generell ein leidiges Thema, weil der Unternehmensinhaber einen hohen Wert präferiert. Doch je höher der Preis ist, umso schwerer wird der Rucksack des potenziellen Nachfolgers", so Pieck.

Auch die Nachfolgerauswahl sei schwierig: „Über den Abgebenden und sein Unternehmen ist meist vieles bekannt, über den Übernehmenden hingegen nicht. Da muss Vertrauen aufgebaut werden." Die Plattform nexxt-change ist eine Möglichkeit, wie Unternehmer und Nachfolger zusammenfinden können, der IHK-Nachfolger-Pool eine andere.

Und dann wäre da noch das Thema Loslassen des bisherigen Besitzers, der im Zweifelsfall sein Lebenswerk abgibt. ,,Hier raten wir, sich Unterstützung bei einer neutralen, kompetenten Person zu suchen“, meint Pieck.

Sind grundsätzliche Dinge geregelt, geht es an die Planung und Umsetzung der Nachfolgeregelung. Hier hilft, wie auch bei allen anderen Schritten, das IHK-Praxishandbuch Unternehmensnachfolge.

„Wir als IHK möchten im Verbund mit vielen anderen Institutionen und Partnern für das Thema der rechtzeitigen Nachfolgeregelung in der Region sensibilisieren und motivieren, es rechtzeitig anzugehen“, sagt Pieck. Dies ist im Interesse des einzelnen Unternehmers, des einzelnen Nachfolgers, aber auch der gesamten Wirtschaftsregion und deren Nachhaltigkeit. Je eher, desto besser: Der Unternehmer hat mehr Zeit, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden und aufzubauen und seine Mitarbeiter in diesem Prozess mitzunehmen, sein Know-how und seinen Kundenstamm weiterzugeben und profitiert im Zweifelsfall von einer besseren Bewertung seines Betriebs durch die Bank.

Der potenzielle Nachfolger hat mehr Zeit, seinen Hut in den Ring zu werfen und vom Vorbesitzer eingearbeitet zu werden. ,,Gerade Fach- und Führungskräfte aus den eigenen Reihen denken oftmals noch gar nicht daran, dass auch sie die Übernehmenden sein können“, weiß Pieck aus Erfahrung.

Und letztendlich sichern erfolgreiche Übergaben der Region ihre wirtschaftliche Basis, den Unternehmensmitarbeitern ihre Arbeitsplätze und den Kommunen ihre Einnahmen aus der Gewerbesteuer. „Werden diese Unternehmen also nicht erfolgreich weitergeführt, haben wir alle ein Problem“, erläutert Pieck.

Weitere Infos: www.ihk-bonn.de
(Webcodes @150 und @3250)