INTERVIEW MICHAEL BORDT

,,Verantwortung übernehmen und daran wachsen"

Prof. Dr. Michael Bordt berät Familienbetriebe beim Übergang in die nächste Generation. FOTO: NICO SCHMID-BURGK

Berater Michael Bordt über Generationswechsel in Familienunternehmen

INTERVIEW MICHAEL BORDT

Die Übergabe eines Familienunternehmens von den Eltern an die Kinder kann mit vielen Emotionen und Konflikten einhergehen. Wie man damit umgeht und welche Hilfen es gibt, darüber sprach unser Autor Jörg Wild mit Professor Michael Bordt, dem Gründer des Instituts für Philosophie und Leadership.

Eltern haben ja gerne mal Berufspläne für ihre Kinder. Das ist sicher noch intensiver, wenn Eltern einen Betrieb haben, den sie ihren Kindern übergeben wollen. Ist das nicht ein enormer Druck, der auf den Kindern liegt?

Michael Bordt: Die Kinder in Unternehmerfamilien wachsen damit auf, dass das Unternehmen ein allgegenwärtiges Thema ist und dass die Firma die ganze Familie durchdringt. Es ist natürlich auch gut verständlich, dass Eltern, die ein eigenes Unternehmen haben, sich zumindest wünschen, dass die Kinder dieses Unternehmen eines Tages übernehmen mögen. Diesen Wunsch kennen die Kinder als Erwartung und auch als Druck. Sie werden sich also mit dieser Frage auseinandersetzen müssen.

Wie können Kinder notfalls ihren Eltern klarmachen, dass sie deren Pläne nicht umsetzen werden - dass sie sie also enttäuschen werden?

Bordt: Das hängt natürlich vom Einzelschicksal ab. Ich kenne Familien, in denen die Eltern die Kinder ganz ausdrücklich auffordern, sich mit dieser Frage auseinander zu setzen. Ich kenne aber auch Familien, in denen die Kinder das Unternehmen nicht übernehmen wollen - wo es dann auch zu einem sehr ernsten Zerwürfnis in der Familie kommt.

Gehen wir mal davon aus, dass die Kinder in den Betrieb einsteigen wollen. Wie muss man sich das vorstellen: Eltern sind erst die Chefs in der Familie und dann auch im Familienbetrieb. Später sollten sie gleichberechtigte Partner in der sein. Und dann Geschäftsführung zurücktreten? Geht das ,,so einfach"?

Bordt: Da haben Sie ja schon das ganze Drama angesprochen. Unproblematisch ist meist der erste Teil, wo Kinder noch lernen müssen und schauen: Wie machen das die Eltern? Dann kann man nur raten, dass die Eltern in einem zweiten Schritt den Kindern einen eigenen kleinen Bereich geben und schauen: Wie macht sich die Tochter oder der Sohn da? Hier sollten die Eltern möglichst nicht hineinreden, sondern die Kinder sollten selbst Verantwortung übernehmen und daran wachsen.

Der schwierige Teil kommt dann, wenn die Kinder den Betrieb weiterführen. Da kommt es leicht zu Überschneidungen der Rolle der Eltern als Chef und der Rolle als Vater oder Mutter. Das kann schwierig werden, weil sich Muster in der Kommunikation und in den Rollen als Eltern auch auf das Leben als Chef oder Angestellte übertragen.

Und ganz schwierig ist es sicher, wenn die Eltern dann den Absprung nicht schaffen. Wenn sie sich also nicht ein Leben nach dem Unternehmen aufgebaut haben und keine Perspektive haben. Das ist oft sehr schwer, weil sie oft ihr ganzes Leben für das Unternehmen gelebt haben.

Wissen die Eltern und natürlich auch die Kinder genau, was auf sie zukommt, wenn sie sich in ein gemeinsames Geschäftsleben begeben, das in einer absehbaren Zeit die Übergabe mit sich bringt?

Bordt: Viele Leute unterschätzen das. Auch weil der gute Wille ja da ist, aber weil sie bestimmte Arten von Konflikten so nicht kommen sehen. Deswegen ist auch die Bedeutung von Familie sehr wichtig, damit bestimmte Dinge nicht eskalieren und bestimmte persönliche Schwierigkeiten nicht den Unternehmenserfolg gefährden.

Was können Sie tun, um Familienbetriebe bei der Generationennachfolge zu unterstützen?

Bordt: Der erste wichtige Schritt ist, die Kinder in einen Prozess zu schicken und zu begleiten, in dem sie ein möglichst realistisches Bild davon haben, wie es ist, wenn die Eltern plötzlich die Chefin oder der Chef sind. In der Pubertät grenzen sich Jugendliche natürlich von den Eltern ab - aber dann ist es notwendig, dass sie wieder näher zusammenrücken. Ich sehe also meine Aufgabe darin, dass die Kinder eine möglichst realistische Einschätzung der Schwierigkeiten bekommen. Je klarer man diese Fragen schon am Anfang stellt und die Kinder auch damit konfrontiert, desto richtiger ist dann auch die Entscheidung, die sie treffen. Wenn zwei oder mehr Geschwister die Firma übernehmen wollen, dann ist es auch wichtig, dass sie sich mit ihrer Geschichte auseinandersetzen. Gab es zum Beispiel Konkurrenz und Rivalität als Kinder, die die künftige Zusammenarbeit zum Wohl des Unternehmens wirklich belasten könnten und wie wollen sie künftig mit solchen Konflikten umgehen?

Wenn so eine innerfamiliäre Übergabe nicht klappt, ist das dann das Ende der Familienharmonie?

Bordt: Wir geben einwöchige Kurse für Gründer und Söhne und Töchter aus Familienunternehmen. Die sind sehr intensiv. Wir hatten dabei mal einen jungen Mann, der sollte den letzten Schliff für die Unternehmensübernahme bekommen. Dabei kam heraus, dass der eigentlich etwas völlig anderes machen wollte - er wollte Tänzer werden. Das war für die Eltern natürlich ganz furchtbar. Wir hatten dann ein ganz anrührendes Treffen mit der ganzen Familie, und am Schluss gaben die Eltern zu: Wir wussten das eigentlich die ganze Zeit, dass er eigentlich Tänzer werden will. Und sie haben ihren Sohn unter Tränen umarmt und freigegeben. Aber es kann natürlich auch schief gehen, wenn die Eltern dann enttäuscht sind und die Kinder aus der Familie ausgeschlossen werden.

ZUR PERSON

Prof. Dr. Michael Bordt SJ ist Mitglied des Jesuitenordens und lehrt an der Hochschule für Philosophie in München. Nach seiner Promotion an der Universität Oxford, einem Forschungsstipendium an der Universität Princeton forschte Michael Bordt und lehrte er im Bereich der Antiken Philosophie und der philosophischen Anthropologie.

2011 gründete er gemeinsam mit Johannes Lober das Institut für Philosophie und Leadership, um Beratung, Begleitung und Workshops für Unternehmerfamilien und Führungskräfte in Spitzenpositionen gemeinnütziger Unternehmen sowie großer mittelständischer Firmen und Konzerne wie der BMW Group, der Deutschen Börse AG oder der ThyssenKrupp AG anzubieten. Dazu macht Bordt die große Tradition der abendländischen Philosophie und die Spiritualität des Jesuitenordens für die Herausforderungen, vor denen Führungskräfte heute stehen, fruchtbar.

Er ist Autor zahlreicher Bücher, z. B. „Die Kunst, die Eltern zu enttäuschen", das im Elisabeth Sandmann Verlag erschienen ist.
jöw


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msi