Bevor Konflikte unlösbar werden

Carl Albrecht begann seine Karriere als Agrarwissenschaftler und Ethnologe und gelangte über internationale Umwege zur Mediation von Konflikten in Familienbetrieben. FOTO: PRIVAT

Mediator Carl Albrecht hat sich auf die Vermittlung zwischen unterschiedlichen Altersstufen in Betrieben spezialisiert. VON JÖRG WILD

Generationenkonflikte sind normal und seit Jahrtausenden bekannt. Heute gibt es allerdings renommierte Mediatoren, die mit gut bestückten ,,Werkzeugkisten" bei der Lösung gut nachvollziehbarer Konflikte helfend eingreifen.

Es gibt Konflikte zwischen den Generationen und das schon, seitdem von Generationen gesprochen wird. Vom zeitlos klugen griechischen Philosophen Sokrates ist dieser inzwischen 2400 Jahre alte Satz überliefert: ,,Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer." Und der unvergessliche deutsche Autor Kurt Tucholsky schrieb im Jahr 1931: ,,Die verschiedenen Altersstufen des Menschen halten einander für verschiedene Rassen: Alte haben gewöhnlich vergessen, dass sie jung gewesen sind, oder sie vergessen, dass sie alt sind, und Junge begreifen nie, dass sie alt werden können."

Die Verständigung zwischen den Generationen gestaltet sich auf einer solchen Basis verständlicherweise schwierig. Eltern mit pubertierenden Kindern können mehrere Lieder davon singen. Aber auch bei Familienbetrieben, wo die entwicklungsbedingten Abgrenzungen der Jugend gegen die Erwachsenen meist abgeschlossen sind, kommt es zu Reibereien. Verständlich, meint der Mediator Dr. Carl Albrecht, der sich seit Jahren auf die Vermittlung zwischen unterschiedlichen Altersstufen in Betrieben spezialisiert hat.

„Uns alle prägen nun mal unsere Erziehung, Bildung und Umwelt", erläutert der Wissenschaftler mit den vielen unterschiedlichen Erfahrungen (Kasten). „Jede Generation wächst anders auf und ist geprägt durch ihre Zeit. Sie bringt also eine ganz eigene Sicht auf die Welt mit."

,,Jede Generation wächst anders auf und ist geprägt durch ihre Zeit. Sie bringt also eine ganz eigene Sicht auf die Welt mit"
Carl Albrecht
Mediator

Schön lässt sich diese unterschiedliche Sicht an den Generationen erkennen, die zurzeit auf einander prallen. Da sind zum einen die Baby Boomer, die im Wirtschaftswunder der 1960er Jahre aufgewachsen sind und die Ressourcen der Welt mit vollen Händen schöpfen konnten. Mit dieser Ausbeutung der Welt hat die Generation, die sich jetzt langsam aus dem Wirtschaftsleben zurückzieht, ein riesiges Wachstum und sehr viel Wohlstand erwirtschaftet.

Die nachfolgenden Generationen können zwar noch den Luxus genießen sie müssen aber auch mit einer ausgebeuteten Erde und mit einer an die Grenzen der Belastung gestoßenen Umwelt sorgsam umgehen. Da liegen in Wahrnehmung und täglichem Handeln oft Welten. Das gilt auch für die Kommunikation, die noch vor nicht allzu langer Zeit bestenfalls ein Faxgerät kannte. Heute rasen riesige Informationsströme in Sekundenbruchteilen von Rechner zu Rechner und von Handy zu Handy. Viele junge Menschen können inzwischen gar nicht mehr mit einem Laptop umgehen - warum sollten sie auch: Sie haben ja ein Handy.

Diese unterschiedliche Sicht auf die Welt birgt allerdings auch Chancen, sagt Albrecht. Das Potenzial liegt darin, dass sich unterschiedliche Stärken ergänzen können. Genau hier liegt auch die große Möglichkeit, nachfolgende Generationen in Familienbetriebe einzubinden und ihnen die Übernahme zu erleichtern.

Das geht nicht mit dem Brecheisen, sondern muss in vielen wohl durchdachten und sorgfältig geplanten Schritten erfolgen. „Der große Vorteil bei Familienbetrieben liegt in der hohen Motivation und in dem stark ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Familienunternehmen“, erläutert Albrecht. Und meist muss eine Übergabe hier auch nicht schnell erfolgen, sondern die Situation erlaubt lange Planungsphasen und schrittweise Übernahme von Verantwortung durch die junge Generation.

Wichtig dabei ist, dass Privatkonflikte nicht in die Firma getragen werden. Hier kann aber eine Mediation vorzüglich ansetzen. Carl Albrecht macht die Situation am Beispiel der letzten Apfelsine sichtbar, um die sich zwei Kinder streiten. Die Mutter könnte die Apfelsine teilen und jedem Kind ein Stück geben. ,,Das wäre die salomonische Lösung." Sie kann aber auch fragen, was die Kinder eigentlich damit vorhaben. Eines will vielleicht nur die Schale nutzen und damit einen Kuchen backen. Das andere möchte die Apfelsine auspressen, um den Saft zu trinken. Alle Teile der Apfelsine würden genutzt, beide Kinder wären zufrieden. „Das ist eine Lösung, die durch eine Mediation entstehen kann."

Ein Mediator fasst also die Firma nicht an, greift nicht in Entscheidungsprozesse und bestimmt keine Lösungen. „Die müssen von den Medianden selbst kommen, denn diese sind die besten Experten für das eigene Unternehmen und daher am qualifiziertesten, um passende Lösungen zu finden", erläutert Albrecht. Für ein solches Vorgehen sollten sich Firmen und Familienunternehmen entscheiden, die feststellen, dass es in ihren Abläufen und in ihrer Kommunikation knirscht. „Je eher, desto besser", meint der erfahrene Mediator. Hilfe holen, wenn der Konflikt sichtbar wird - ,,oder sich schon für mögliche Konflikte die Adresse eines geeigneten Mediators bereitlegen", wie Carl Albrecht empfiehlt. „Je länger man im Konflikt wartet, bis man sich Hilfe holt, desto mehr Verletzungen entstehen, die das persönliche Verhältnis trüben und desto mehr Schaden kann ein Konflikt im Unternehmen anrichten. Und je festgefahrener der Konflikt bereits ist, desto schwerer ist er dann auch aufzulösen. Haben Sie keine Angst davor, einen Mediator um Unterstützung zu bitten.“

Denn die Werkzeugkiste der Mediation ist vielschichtig und phantasievoll bestückt. Man muss sich nur darauf einlassen. Der kluge Kurt Tucholsky wusste das. Von ihm stammt der schöne Satz: „Es gibt alte Esel und junge Talente."

CARL ALBRECHT
Agrarwissenschaftler, Ethnologe, Kamel-Experte und Mediator

„Niemand, den ich kenne, der heute als Mediator arbeitet, hat sich schon mit 14 gedacht, dass er mal Mediator werden will", sagt Carl Albrecht auf die Frage nach seinem Werdegang. Denn so war es auch bei ihm. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, der aufgegeben werden musste, als er 15 war, hatte er sich zunächst von der Landwirtschaft gedanklich verabschiedet. Ein Auslandsaufenthalt in Saudi Arabien, wo er den Kamelmarkt von Riad besuchte, sollte das ändern.

Denn dort stieß er auf sein liebstes landwirtschaftliches Nutztier, das Kamel. Warum die landwirtschaftlichen Kenntnisse nicht international nutzen? Er studierte Agrarwissenschaften mit tropisch-subtropischem Schwerpunkt und Ethnologie mit Regionalschwerpunkt Afrika, reiste viel, arbeitete in unterschiedlichen Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Indien, Ägypten und Ghana. Die Arbeit mit Kamelen beschäftigt ihn bis heute.

Als er im beruflichen Umfeld immer öfter als Vermittler zu Rate gezogen wurde, absolvierte der Agrarwissenschaftler und Ethnologe eine Mediationsausbildung und machte sich 2017 selbständig. Vor allem auf die Konfliktberatung in der Landwirtschaft hat sich der heute 46-Jährige spezialisiert - aber seine Mediationsmethoden sind auf alle Familienbetriebe anwendbar. jöw
Ausführliche Informationen: www.albrecht-mct.de