„In der Situation ist es ungeheuer wichtig zu erfahren, da ist jemand, an den man sich wenden kann, da gibt es Menschen, die dir helfen wollen“, sagt der Musiker Adel Tawil. Nach einem unbedachten Kopfsprung in einen Pool hatte er 2016 seine Halswirbelsäule vierfach gebrochen. Es trifft häufig junge Leute: Fast die Hälfte der Unfallopfer, die ein Schädel-Hirn-Trauma erleiden, ist jünger als 25 Jahre. Insgesamt sind es in Deutschland jährlich rund 270.000 Menschen. Die meisten erholen sich wieder, aber 45.000 müssen mit langanhaltenden oder dauernden Schäden des Gehirns weiterleben. So sind heute insgesamt rund 800.000 Menschen in Deutschland auf fortwährende Unterstützung durch Pflegekräfte oder Angehörige angewiesen und bedürfen lebenslanger Hilfe und Förderung. Ihnen schnell und unbürokratisch zu helfen, hat sich die ZNS-Stiftung für Verletzte mit Schädel-Hirn-Trauma auf ihre Fahnen geschrieben. Und seit 2017 ist Tawil ihr ehrenamtlicher Präsident.
Dr. Susanne Schaefer führt seit Anfang 2023 die Geschäfte der ZNS-Stiftung. Ihre Vision ist, „dass Menschen mit Schädel-Hirn-Trauma ein erfülltes Leben führen“. Die Stiftung setze sich deshalb täglich dafür ein, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern: „Dies erreichen wir durch Aufklärung, Beratung, Information, Schulung, Forschungsförderung, Lobbyarbeit und die Verbesserung der Versorgung. “
Bereits Anfang der 1970er Jahre-damals waren Hirnverletzungen noch tabuisiert - hatte Hannelore Kohl als Gattin des damaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten die Schirmherrschaft über die neurologische Klinik des BDH-Bundesverbandes in Vallendar übernommen und dort tiefe Einblicke in Behandlung und Rehabilitation von Unfallopfern gewonnen. 1983, zu Beginn von Helmut Kohls Kanzlerschaft, gründete sie dann das KURATORIUM ZNS e.V. Dies war der Beginn der 40-jährigen Erfolgsgeschichte der in Bonn ansässigen ZNS-Stiftung zum Wohl hirnverletzter Menschen in Deutschland.
Die Mehrzahl der pflegebedürftigen schädelhirnverletzten Menschen wird durch die Familie oder den Partner versorgt, häufig rund um die Uhr und über Jahre. Diese Situation stellt eine Herausforderung für alle Familienmitglieder dar. Herzstück der Stiftungsarbeit ist daher der kostenfreie Beratungs- und Informationsdienst für Betroffene und Angehörige: Rund tausendmal jährlich hilft das multiprofessionelle Team zu allen Fragen in Zusammenhang mit einer Schädel-Hirn-Verletzung. Hilfesuchende werden durch den schier undurchdringlichen Wald von Paragraphen, Anträgen und Formularen gelotst. „Unsere spendenfinanzierten Hilfe- und Unterstützungsangebote haben sich im Laufe der Jahre verändert und müssen immer neu an den Bedürfnissen der schädelhirnverletzten Menschen und pflegenden Angehörigen ausgerichtet werden“, sagt Professor Dr. Joachim Breuer, Vorstandsvorsitzender der ZNS-Stiftung.
Die ZNS Akademie gGmbH bietet Seminare, Schulungen, Selbsthilfeförderung, Kongresse und Tagungen für Menschen, die täglich mit den Folgen einer Verletzung des Zentralen Nervensystems konfrontiert werden: Als sehr hilfreich werden die Erlebnis- und Begegnungswochenenden für Betroffene und die Angebote für pflegende Angehörige mit ihrem vorwiegend psychosozialen Unterstützungsangebot erlebt. In speziellen Seminaren werden Fachleute, die im Bereich der neurologischen Nachsorge tätig sind, im Hinblick auf die besonderen Belange von Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen geschult.
Neben der konkreten Hilfe für Betroffene und deren Angehörige gehört auch die Forschungsförderung zu den Aufgaben der ZNS-Stiftung: Zum zehnjährigen Stiftungs-Jubiläum wurde erstmals der Hannelore Kohl-Förderpreis für Nachwuchswissenschaftler verliehen, deren Forschungen neue Perspektiven in den Neurowissenschaften eröffnen oder die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern. Dafür sind seitdem alle zwei Jahre 10.000 Euro ausgelobt.
Eine aktuelle Studie der ZNS-Stiftung und des BARMER Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) schließt eine Forschungslücke. Während die akuten Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas gut dokumentiert sind, fehlte in Deutschland bislang eine systematische Erfassung möglicher langfristiger gesundheitlicher Probleme. In der Studie wurden nun Daten von 114.296 Patientinnen und Patienten ausgewertet, die im Zeitraum der Jahre 2006 bis 2009 erlitten ein Schädel-Hirn-Trauma hatten. Es hat sich gezeigt, dass die Betroffenen fast fünfmal häufiger Kopfschmerzen haben als Menschen, die diese Verletzung nicht erlitten haben. Sie leiden zudem häufiger an Epilepsie, kognitiven Defiziten, Hormonstörungen, Demenz, Immobilität, Depressionen sowie an Sprach- und Sehbehinderungen.
Um möglichst viele Menschen vor einer Schädel-Hirn-Verletzung zu bewahren, macht sich ZNS-Präsident Adel Tawil für die Prävention stark: In dem TV-Spot „Schütz Deinen Kopf!“ nutzt er seine Popularität und motiviert die Verkehrsteilnehmer, beim Rad- oder E-Scooter-Fahren immer einen Helm zu tragen. VON BRIGITTE LINDEN
INFO
Die ZNS-Stiftung
Die in Bonn ansässige ZNS-Stiftung wurde 1983 von Hannelore Kohl gegründet, um schädelhirnverletzten Menschen und ihren Angehörigen zu helfen, ihre veränderte Lebenssituation zu bewältigen und ein glückliches Leben zu führen. In diesem Jahr feiert die Stiftung ihr 40-jähriges Jubiläum. Sie finanziert sich ausschließlich aus Spenden. Weitere Informationen auf der Website www.hannelore-kohl-stiftung.de sowie auf Facebook, Instagram und LinkedIn.