Was macht eigentlich Kunst mit uns? Denken Sie doch einmal kurz darüber nach: Welches Buch, welcher Film, welches Bild oder welche Performance hat Ihr Leben beeinflusst oder zumindest den Blick darauf verändert? Ein Buch fällt mir sofort ein ist vielleicht auch naheliegend für jemanden, der Deutsch und Geschichte studiert hat, dass es ein Buch ist: Last Lecture von Randy Pausch. Diese biografischen Gedanken eines krebskranken Informatikprofessors am Ende seines Lebens haben mich im Innersten berührt und tatsächlich mein Leben verändert. Es ist dieses Buch gewesen, das mich meinen Kindheitstraum hat Wirklichkeit werden lassen: mit einem Hund zu leben.
Individuell kann sicher jede und jeder für sich die Frage beantworten, aber was bedeutet die Kunst gesamtgesellschaftlich und was hat sie mit Wissenschaft zu tun? Wir leben in einer historisch einmaligen Situation: Technikgetriebene Entwicklung vollzieht sich global zeitgleich. Hat die Durchsetzung der Industrialisierung noch gut 200 Jahre gedauert, vollzieht sich nun ein irrsinnig schneller Paradigmenwechsel und wirft unsere gewohnten Denkmuster über Bord.
Wir müssen mit Mehrdeutigkeiten umgehen, Widersprüche aushalten und damit leben, dass es keine eindeutigen Antworten auf große Fragen gibt. Wissenschaft und Politik leben aber davon, eindeutig sein zu können. Haben wir uns nicht während der Pandemie gewünscht, die medizinische Forschung gäbe uns doch bitte klare Hinweise und Politik setze eindeutige und nachvollziehbare Maßnahmen um?
Und hier sitzt die große Zukunftschance der Kunst: Künstlerinnen und Künstler verstört Mehrdeutigkeit nicht, für sie ist sie keine Gefahr, sondern wesentlicher Teil ihrer Arbeit. Ungewissheit und Widersprüche stellen sie bewusst her. Das Unerwartete zu erwarten, nicht am System arbeiten, sondern als Systemsprenger zu wirken. Das will und kann Kunst.
Und nun stellen Sie sich einen Bildungsort vor, an dem Kunst und Wissenschaft zusammenarbeiten. Künstlerinnen und Künstler schaffen Räume, in denen sie gemeinsam mit wissenschaftlich Arbeitenden nach bisher nicht gedachten Zusammenhängen, dem Nicht-Berechenbaren suchen. Diesen Ort gibt es ganz in der Nähe: in Alfter. Und ich darf dabei sein - darf eine von fast 2.000 Menschen sein, die außerhalb eingetretener Pfade gemeinsam mit Studierenden und Forscherinnen, mit Bildhauerinnen und Philosophen, Pädagogen und Architektinnen outside the box denken und handeln. Das berührt mich - und verändert mich jeden Tag aufs Neue.