Latten, Klänge, Decken und wissenschaftliche L Malereien: Mit verschiedenen Projekten gehen Studierende der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft Alfter seit einigen Jahren verstärkt in die Öffentlichkeit. War die Hochschule seit ihrer Gründung 1973 an ihrem Standort, dem Johannishof, in den ersten Jahren überwiegend von Aufbau und Konsolidierunggeprägt, setzte sie spätestens 2009 mit dem Neubau am Campus II - Villestraße auf mehr Sichtbarkeit in der Gesellschaft.
Mit künstlerischen Interventionen an Plätzen, Straßen und Gebäuden bringt sich die Hochschule seitdem mit Ideen und Gestaltungsvariationen in den Alltag der Menschen ein. Federführend beteiligt war und ist Willem-Jan Beeren, Professor für Architektur und Kunst. Mit der Inszenierung an konkreten passenden Orten möchte der 47-jährige unter Einbeziehung von Anwohnern und Betroffenen Kunst für Jedermann erlebbar machen. Viele Projekte im Format künstlerische Intervention hat er mit seinen Architektur-Studierenden bereits auf den Weg gebracht. Dabei erlernen nicht nur die jungen Leute spielerisch die Fähigkeiten eines Stadtplaners wie zum Beispiel das Bauen im Verhältnis 1:1 und den gemeinsamen Gestaltungsprozess von der Idee über Planung/Koordination/Umsetzung bis hin zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit, Rückbau und Dokumentation, sondern auch die Bürger erfahren vor ihrer Haustür Kunst und deren Schaffungsprozesse.
Es sind stets temporäre Bauwerke, die meisten werden nach einer gewissen Zeit wieder abgebaut. Ob in den Bereichen des Klangs (Klangkunst), als Skulptur oder als funktionales Möbelstück - die Installationen differieren nach Ort und Zielsetzung. Für größere Bauwerke besonders geeignet sind vielseitig verwendbare Dachlatten, die die Hochschule seit rund 14 Jahren in Kunstwerken verbaut.
Für Beeren haben künstlerische Interventionen das Potenzial, Aspekte und Probleme in der Gesellschaft aufzuzeigen. Auch für die Studierenden sei es ein Übungsfeld, sich bei ihren Projekten mit der Reaktion der Bevölkerung auseinanderzusetzen. Zum ersten Mal im großen Stil benutzt wurde das biegsame, kostengünstige und nachhaltige Material für einen Latten-Wald am Campus II, bei dem 8.000 Dachlatten von 60.000 Schrauben zusammengehalten wurden. Damals hatte Beeren zusammen mit Kollegen der Hochschule bei einem Wettbewerb für ihr Lattenkonzept einen der ersten Preise erhalten, seit dem Erfolg von 2009 bedeckten Latten Gastronomiebuden am Brüsseler Platz in Köln und schufen 2021, nach der Zerstörung durch die Flut, am Brunnenplatz in Mayschoss an der Ahr ein Baum-Ensemble mit beleuchteter Sitzgelegenheit. „Die Aufenthaltsqualität sollte wieder im Mittelpunkt stehen, weniger der zerstörte Platz. Die Menschen sollten nach der Katastrophe wieder ein wenig Normalität erhalten“, erklärte Beeren die Intention für das Konstrukt im Ahrtal.
Zur Beilegung eines Konflikts trugen die Studierenden mit ihrem Projekt am Brüsseler Platz bei. Das dortige Kölner Szeneviertel sorgte seit langem für Konflikte zwischen Gastronom:innen und Anwohner:innen. In Zusammenarbeit mit den betroffenen Parteien wurden zwei Gastronomiebuden mit Latten überspannt, der Betrieb zeitlich begrenzt. ,,Es ist ein gutes Beispiel für eine politische Dimension, denn der Brüsseler Platz war in Köln ein Politikum. Die kontrollierte Nutzung im Ausschank hat in der Saison gut funktioniert", sagte Beeren. Dachlatten und Folie nutzten die Studenten auch für die Verfremdung des leerstehenden Bahnhofsgebäude in Hürth, um ,,den Blickwinkel der Anwohner zu verändern“, so Beeren. Wie sehr eine Installation bei der Bevölkerung ankommen kann, zeigt das Beispiel von Bad Laasphe, wo ein Sturm die Dachlatten-Skulptur auf dem Platz zerstörte und beim Wiederaufbau viele Menschen des Ortes mitmachten. Andere Sichtweisen auf Bestehendes boten auch die Projekte zu Klängen und Raum-Dimensionen. So wurde zum Beispiel das Wasser-Plätschern eines ehemaligen Brunnens am Bonner Busbahnhof mit Schaumstoffbällen unterbrochen, um die akustische Funktion eines Brunnens ,,zu verdeutlichen. Denn plötzlich waren die normalen Straßengeräusche wieder lauter zu hören“, erklärte Beeren. Nicht unumstritten in der Bevölkerung war das Projekt „Himmel un Ähd" 2017 in Alfter, das die Studierenden als Vorlauf zu Bürgergesprächen im Rahmen der Umgestaltung des Herrenwingert durchführten. Der Parkplatz wurde für einen Tag gesperrt und mit Rettungsdecken ausgelegt, um die Größe der Fläche aufzuzeigen. Interessierte in einen Diskurs mit der Wissenschaft bringen soll das aktuell laufende Kunstprojekt art@immunosensation am Biomedizinischen Institut der Universität Bonn. Die Wand, die den öffentlichen Bereich vom Forschungstrakt trennt, bemalen Wissenschaftler:innen und Student:innen auf einer Länge von 15 Meter mit sich verändernden Forschungsergebnissen aus den Bereichen Immunologie und Infektiologie. Für Beeren, der das Konzept gemeinsam mit Bildhauer Paul Petry entwickelt hat, ist die Fläche somit eine durchlässige Membran zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, bei der Kunst als Medium zur Veranschaulichung fungiert. Im Laufe der Zeit soll das WANDLabor den Blick der Passanten auf das Gebäude lenken und damit Gespräche mit den Wissenschaftler:innen ermöglichen.
Wie lange das Projekt noch laufen wird, steht noch nicht fest. Gespräche für künftige Aktionen an anderen Örtlichkeiten laufen bereits.