Tops und Flops in Deutschland und der Welt: 2023 brachte weiter Krieg in Europa und dem Nahen Osten, viele Ampel-Krisen und vergiftete politische Debatten.

GA-Hauptstadtbüro: Was für ein Jahr!

Farbe an der falschen Stelle: Eine Letzte-Generation-Aktivistin beschmiert das Brandenburger Tor. Top in München: Wahlkämpfer Markus Söder. Sprengte die Linksfraktion: Sahra Wagenknecht. Klassenziel Pünktlichkeit auch 2023 verfehlt: die Bahn FOTOS: DPA

Tops des Jahres 2023

Reaktion auf Hamas-Terror: Bundesregierung und Bundestag haben nach den bestialischen Angriffen der Hamas auf Israel und den Entführungen von Geiseln den richtigen Ton gefunden. Der besonderen Rolle Deutschlands angemessen gab es echte Solidarität mit Israel - zugleich wohldosierte Kritik am Vorgehen des israelischen Militärs und der Siedler in den Wochen danach.

Schuldenbremse: Kein Wort wurde in den vergangenen Wochen häufiger verwendet als dieses. Viele wollen ihr an den Kragen, einige verteidigen sie als Heiligen Gral. Auf jeden Fall ist sie besser als ihr Ruf, in der Verfassung verankert und bietet mehr Spielräume als viele vermuten. Und grundsätzlich macht das Konzept der schwäbischen Hausfrau noch immer Sinn: Nicht mehr ausgeben als man hat.

Joachim Gauck: Der Alt-Bundespräsident erlebte 2023 ein politisches Comeback. Auch sein Zitat aus der Migrationskrise hat sich als Dauerbrenner gehalten: „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich.“ Gauck sprach und spricht Klartext. Manchmal unbequem, aber allemal ehrlich.

Bayerischer Wahlkampf: Endlich mal was los im Wahlkampf, von wegen asymmetrische Demobilisierung, die man nicht nur von Angela Merkel gekannt hat. CSU-Chef Markus Söder war gefühlt in jedem Bierzelt, sein Vize Hubert Aiwanger von den Freien Wählern dafür zeitweise in jeder Schlagzeile. Am Ende sind beide das geblieben, was sie sind - Koalitionspartner.

Starke Unions-Ministerpräsidenten: Eine Riege der Schnarchnasen sind die Landesfürsten der Union nicht. Sie haben ihrem Parteichef Friedrich Merz ordentlich Dampf gemacht. Insbesondere in der K-Frage. Etwas Wettbewerb kann ja nicht schaden. Zu viel Konkurrenz freilich doch, wie man 2021 sehen konnte. Markus Söder lauert übrigens immer noch.

Karnevals-Auftritte: FDP-Galionsfigur Marie-Agnes Strack-Zimmermann teilte in Aachen gegen Friedrich Merz aus, sodass die Union lustigerweise eine Entschuldigung verlangte. Typisch böse Königin. Karnevals-König war SPD-Chef Lars Klingbeil mit einer Top-Büttenrede. Ins Kanzleramt sei die SPD mit Olaf Scholz durch ein simples Rezept gekommen: „Wir haben uns einfach mal nicht gestritten.“

Deutschlandticket: Im Mai ging es an den Start, die Bürger freuten sich: Nach dem Experiment mit dem Punker-Ticket für Sylt für neun Euro kam das Deutschlandticket für 49 Euro. Bundesweit zum Einheitspreis mit Bus und Bimmelbahn fahren kommt gut an. Das Problem: Es wird voraussichtlich 2024 deutlich teurer.

Flops des Jahres 2023

Letzte Generation: Das Anliegen mag richtig sein, die Mittel sind peinlich. Vom Ankleben auf den Straßen über die Schmiererei am Brandenburger Tor bis hin zur Farbe auf Weihnachtsbäumen ist der Protest kindisch und führt zum Gegenteil: Alle sind genervt, Argumente werden nicht mehr ausgetauscht. Die entstandenen Kosten sind horrend und vielleicht das Ende der Bewegung.

Ukraine-Hilfen: Der Bundeskanzler betont es, so oft es geht. Deutschland ist zweitgrößter Unterstützer der Ukraine. Gut, dass die Bundesrepublik weiterhin Waffen liefert. Doch abgesehen von den USA, wo es auch schon Gegenbewegungen gibt, üben sich viele europäische Staaten wie Frankreich in Zurückhaltung. Das hilft dem Aggressor, ist verheerend für die Ukraine und kann für Europa brandgefährlich werden.

Werbeverbot für Lebensmittel: Das geplante TV-Werbeverbot für Zucker aus dem Landwirtschaftsministerium war von Anfang an ein Rohrkrepierer und wird wahrscheinlich nicht mehr das Licht der Welt erblicken. Verbraucher per Staatsverordnung zu gesünderem Leben erziehen zu wollen, führt selten zu etwas.

Cannabis-Reform: Dieses Projekt bindet in den Ministerien unendlich viele Kräfte. Für was eigentlich? Um eine Droge „gesünder“ an den Menschen zu bringen? Gesetzesänderungen beim Eigenbedarf würden entkriminalisieren - alles andere ist gigantischer Bürokratieaufwand, das Argument der Vorsorge für Jugendliche einfach absurd.

Sommerinterviews: Da kann schon mal was schiefgehen, wenn man sich nicht ordentlich vorbereitet - wie bei CDU-Chef Friedrich Merz, der in einem seiner TV-Interviews mal eben auf kommunaler Ebene die AfD ins Unions-Boot holte. Die Brandmauer der CDU bröckelt halt gewaltig.

CDU-Filmchen: Hoppla, was war das? Da wollte die Union ihr neues Logo und ihre neuen Parteifarben mit einem Werbefilmchen präsentieren - doch das ging kräftig daneben. Der Reichstag in dem Streifen sah ziemlich seltsam aus. Kein Wunder, es handelte sich um den georgischen Präsidentenpalast. Autsch.

Linksfraktion: Dietmar Bartsch kann einem fast schon leidtun. Nicht nur, weil Sahra Wagenknecht ihm die Links-Fraktion im Bundestag zerdeppert hat. Der frühere Fraktionschef sitzt in einem Bundestagsbüro direkt neben der Ex-Linken, und das auch noch mit Verbindungstür zu Wagenknecht. Die dürfte nun für immer verschlossen sein.

Zuverlässigkeit der Bahn: Die Bahn macht ihrem schlechten Ruf weiter alle Ehre. In diesem Jahr hat sie es wieder nicht geschafft, pünktlicher zu werden, und bleibt deutlich hinter den eigenen Ansprüchen und denen ihrer Kunden zurück. So wird das nichts mit der Verkehrswende.

VON JAN DREBES, HAGEN STRAUSS UND KERSTIN MÜNSTERMANN