Julian Nagelsmann soll als Bundestrainer Aufbruchstimmung erzeugen. Doch die Probleme lassen sich nicht einfach beheben

Die Krise bleibt im Trend

Start misslungen: Bundestrainer Julian Nagelsmann FOTO: DPA

AIs die Vorstellungsrunde in der guten alten Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt vorbei war und DFB-Präsident Egidius Braun dem neuen Bundestrainer viel Erfolg gewünscht hatte, gingen dem Beobachter dieses Staatsaktes viele Fragen durch den Kopf. Etwa: Warum darf Erich Ribbeck dieses hohe Amt bekleiden, der sich eigentlich schon im Ruhestand gewähnt hatte? Wieso traf den eigentlich von Braun auserkorenen Paul Breitner der Bannstrahl? Und, apropos bekleiden: Hatte Uli Stielike bei der Wahl der passenden Kleidung für diesen Anlass vor 25 Jahren daheim das Licht nicht angemacht, als sich der neue Co-Trainer ein unwirklich großkariertes Jackett aus dem Schrank griff, das alsbald als „Sakko des Grauens“ in die Modegeschichte eingehen sollte? Was für Zeiten! Fest steht, der deutsche Fußball musste unter Ribbeck finstere durchwandern.

Mission missglückt: Ex-Bundestrainer Hansi Flick FOTO: DPA
Mission missglückt: Ex-Bundestrainer Hansi Flick FOTO: DPA

Zeiten wie heute! Neulich erst stieg die Aufmerksamkeit im Land, als mal wieder ein neuer Bundestrainer die öffentliche Antrittsrede hielt. Und es musste befürchtet werden, dass erneut die Kleiderfrage zum Thema des Tages geraten würde. Das aber blieb dem Land erspart, denn Julian Nagelsmann hatte es vermieden, sich auf den falschen Pfad der Mode zu begeben, das alte Hawaii-Polo mit dem knallbunten Blumenaufdruck zu wählen oder (etwas dezenter) eines seiner Karo-Sakkos. Seine diskret-legere Kombination bot keinen Anlass zu behaupten: „Wer so etwas trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“

Noch etwas entsprach an diesem Septembertag mehr dem Geschmack der Beobachter, denn anders als 1998 war sich die sportliche Führung des DFB mit Präsident Bernd Neuendorf und Sportdirektor Rudi Völler klar und einig über die Besetzung dieses Hochamtes. Er sei „der Wunschkandidat“ gewesen, sagte Völler über Nagelsmann, der wie zuvor beim FC Bayern Hansi Flick nachfolgte. Zwar wurde auch dieser Bundestrainer aus der Not geboren, aber dem immer noch sehr jungen Nagelsmann, 36, werden von Verbandsseite einige Talente eingeräumt, die ihn für das Amt befähigen. Vor allem soll er auf dem nicht mehr allzu langen Weg Richtung Heim-EM im Sommer die erhoffte Aufbruchstimmung erzeugen, die unter Vorgänger Flick nach einer verkorksten WM und einigen irritierenden Auftritten zu einer Abbruchstimmung verkam. „Er ist nicht nur ein absoluter Fußball-Fachmann, sondern hat auf all seinen Stationen -in für einen Cheftrainer sehr jungen Jahren - bereits bewiesen, dass er eine Mannschaft und das gesamte Umfeld motivieren und mitreißen kann“, sagte Völler, der nach nur einem Spiel als Interims-Rudi (2:1 gegen Frankreich) Platz machte für den Neuen.

VON GUIDO HAIN