Am Kiosk-Museum von Harald und Gisela Müller am Drachenfels bleibt manchmal die Zeit stehen. Zum einen ist ihr Verkaufshäuschen selbst noch ein Relikt vergangener Zeiten am Drachenfels. Und zum anderen gibt es hier am Eselsweg noch so herrlich tierische Begegnungen mit Drachenfelseseln. Die niedlichen Tiere rühren sich nämlich nicht vom Fleck, bevor sie nicht ein paar schnell organisierte Apfelschnitze von den Müllers vernascht haben.
Von wegen dummer Esel! ,,Die wissen ganz genau, dass es hier etwas gibt, die kennen uns", sagt Harald Müller lachend, der sie von seinem Fenster aus manchmal beim Weiden beobachten kann. Früher zogen sie in Scharen nach oben. Heute hält nur noch Peter Muhr Esel am Drachenfels. Längst haben sie „Marscherleichterung": Ein Ritt geht seit langem nur noch für Kinder und nur bis zum Schloss, mittlerweile nur auf Bestellung.
Da hatten die tierischen Vorfahren es doch oft sehr viel schwerer. Zunächst dienten die Esel Steinhauern als Lastenträger. Als 1828 der Steinbruchbedie trieb untersagt wurde, erhob Steinhauergewerkschaft bald darauf als Eigentümerin Eintritt für den Besuch des Drachenfels-Gipfels. Auf der ,,Eingangskarte zum Drachenfels" war auch der Preis vermerkt: Fünf Silbergroschen und für ein Pferdchen oder einen Esel zehn Silbergroschen einschließlich des Trinkgeldes waren pro Person zu zahlen. Ein solches Billett ist erhalten und damit auch der erste Hinweis auf die Esel als tragende Figuren der Drachenfelsgeschichte.
Steine schleppen mussten sie übrigens auch beim Bau des Schlosses und der Nibelungenhalle. Bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert wurden die Grautiere für den Transport von Mensch und Gepäck auf die Berge des Siebengebirges angeboten. Damals gab es noch nicht die komfortablen Wanderwege.
Vielleicht ist es nicht nur Lord Byron und seinem Gedicht,,The castled crag of Drachenfels" von 1816 zu verdanken, dass der Tourismus verstärkt einsetzte mit der Rheinromantik. Mit zunehmenden Besucherströmen waren immer mehr Esel gefragt. Aber unter ihren Haltern herrschte Konkurrenz. Sie belagerten mit ihren Vierbeinern die Anlegestellen der Dampfschiffe, postierten sich vor Restaurants und Hotels - zum Leidwesen der Wirte. Und sie sollen nicht gerade zimperlich gewesen sein, wenn es darum ging, einander die Kundschaft abzujagen.
Das hatte Folgen: Bürgermeister Mirbach unterzeichnete 1841 ein amtliches „Reglement für die Eselführer zu Königswinter". Stellplatz für alle Esel war fortan das Gelände am Fuße des Hardtbergs; nur noch bei Reservierung war das Abholen in der Stadt erlaubt. Die Tiere erhielten als Kennzeichen ein Kupferschild mit Nummer, danach orientierte sich die Reihenfolge der Einsätze. Und es wurden Anforderungen an sie gestellt: Die Esel sollten tauglich zum Bergsteigen und nicht bösartig sein. Auch die Eselführer hatten laut Verordnung anständig aufzutreten. Die Gemeinde Königswinter gab die Preise vor: Zehn Silbergroschen kostete die Tour auf den Drachenfels mit Führer, 15 nach Heisterbach, zwanzig auf den Oelberg oder die Löwenburg, und der Tagespreis lag bei dreißig Silbergroschen. 1901 gab es übrigens 44 Exemplare. Und damals kostete der Ritt zum Gipfel eine Mark.
Die Beliebtheit der niedlichen Langohren blieb - das änderte sich auch nicht mit dem Bau der Zahnradbahn oder der Herrichtung des Fahrweges für die Pferdekutschen. Der Esel wurde inoffizielles Wappentier der Stadt. Die Herzen der Besucher hatten die wackeren Grautiere ohnehin erobert. Da zierte so manches Exemplar die Ansichtskarten vom Drachenfels. Dem Empfänger der Scherzpost mit zwei zugeneigten Eselköpfchen galt wohl die Frage: ,,Wann werden wir drei uns wieder sehen?"
Dummer Esel? I wo! Er gilt als intelligent. Und die Menschen um sie herum waren auch nicht töricht. Drachenfelsfotografen stellten irgendwann Holzesel vor eine Leinwand mit Landschaft, um davor ihre Kundschaft zu knipsen. Solch eine Eselattrappe frisst kein Heu und Stroh. Richard Kern, der letzte Drachenfelsfotograf, schenkte birgsmuseum dem Siebengeneben seinem Equipment auch einen Fotografieresel. Der Familienbetrieb verfügte aber auch selbst über drei lebende Esel.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Tourismus wieder aufblühte, hatten die Esel angenehme Nebenbeschäftigungen - als Werbeträger oder für Filmaufnahmen waren sie gefragt. Die Esel-Tradition am Drachenfels hält heute nur noch Familie Muhr aufrecht. Ein Eselpaar wird bleiben: das aus Basalt am Rheinufer von Bildhauer Ernemann Sander. Roswitha Oschmann
ANEKDOTE
Esel protestiert bei Dichterausflug
Überliefert ist die schöne Geschichte aus dem ,,Poetensommer am Rhein" im Jahre 1842. Eine illustre Schar von Literaten begab sich auf einen Ausflug durchs Siebengebirge. Karl Simrock, der in Menzenberg sein Weingut hatte und dort häufig von Kollegen besucht wurde, schlug während einer Rast auf einer Wiese Purzelbäume. Witze und Neckereien ,,flogen" hin und her. Die Dichterfreunde um Simrock und Ferdinand Freiligrath ließen es sich richtig gut gehen. Die Damen hatten sich allerdings auf den Rücken von Eseln Drachenfels und Löwenburg hinauftragen lassen. Das Grauohr, auf dem Schriftstellerin Louise von Gall, eine wahre Kriemhildengestalt, thronte, hatte unter dieser Last markerschütternd sein lah gerufen. Und zur Erheiterung der Gesellschaft mochte der Esel mit der schwersten Bürde gar nicht wieder aufhören mit dem lauten Protest. Als sich später das Fräulein von Gall vom weichen Moosteppich nicht erheben wollte, scherzte Freiligrath: „Sie scheinen von der Faulheit Ihres Esels angesteckt worden zu sein." Die Kollegin parierte schlagfertig: „Und Sie von seiner Grobheit."