Der Alte Friedhof am Palastweiher erzählt Geschichte und Geschichten. 

Vom Baron bis zum Hermännchen

„Et Hermännchen“ verkaufte Karten mit seinem Spruch an Touristen. FOTO: SIEBENGEBIRGSMUSEUM

Am 23. Mai 1808 fand auf dem Alten Friedhof am Palastweiher die erste Beisetzung statt. Es war der zweijährige Knabe Johannes. Seither fanden auf diesem Gottesacker mitten in der Stadt einfache Menschen, aber auch bedeutende Persönlichkeiten, deren Ruhm teilweise über die Stadtgrenzen hinausreichte, ihre letzte Ruhestätte. Es lohnt sich, über diesen von vielen Bäumen bestandenen Friedhof zu gehen und die unterschiedlichen Grabstellen zu betrachten. Allein die Vielfalt der Denkmäler gibt Zeugnis von der Kunstfertigkeit der einstigen Steinmetze dieser Stadt ab.

Baron Stephan von Sarter 1858
Baron Stephan von Sarter 1858

Der Alte Friedhof befindet sich direkt hinter dem Wilhelm-Auguste-Viktoria-Haus, das Ehrenbürger Ferdinand Mülhens zwischen 1908 und 1911 errichten ließ und als Volkswohlgebäude mit Turnhalle, heute Kunstforum „Palastweiher“, für die Königswinterer Bevölkerung stiftete. Auf Ferdinand Mülhens aus dem berühmten Duftwasser-Haus 4711, der auf dem Wintermühlenhof in Königswinter sein Refugium hatte, weist eine schlichte Grabplatte hin.

Wer von Schloss Drachenburg herunterkommt, sollte unweit der Drachenfelsbahn eine Stippvisite beim Erbauer, Baron Stephan von Sarter, machen und dessen sehr stilvolles Grabmal bewundern. Der in Paris lebende und zu Reichtum gelangte Sarter wurde nach seinem Tod in der französischen Hauptstadt im Jahre 1902 nach Königswinter überführt und hier begraben. Direkt neben ihm wurde Paul Spinat 1989 zur letzten Ruhe gebettet – er gehört als Retter des Bauwerks vor dem Abriss ebenfalls zur Schlossgeschichte wie, ja wie das berühmte Gespenst zum Schloss.

Ebenfalls sehr dezent ist das Grab von Eduard Rhein, dem berühmten Sohn von Königswinter – der Jahrhundertmann, der Erfinder, Publizist und Schriftsteller, der 1900 am Drachenfels geboren wurde und neben vielen technischen Neuheiten wie die Langspielplatte auch die Mecki-Kinderbücher kreierte und die Hörzu. Er gründete für die Stadt eine Eduard-Rhein-Stiftung für Kunst, Kultur und Bildung, die er mit zwei Millionen Mark ausstattete. Eine weitere Stiftung mit dem Ziel der Kulturförderung begründete die Familie Lemmerz. Im Mausoleum dieser Unternehmer-Dynastie liegen gleich zwei Ehrenbürger der Stadt, denn sowohl Johann Lemmerz als auch dessen Sohn Paul wurden auf diese Weise von ihrer Heimatstadt gewürdigt.

Aus Düsseldorf stammte Hermann Schröder, Jahrgang 1861. „Et Hermännche“ wurde der kleine Mann nur genannt. Er war gewissermaßen Touristenattraktion. Mit Radschlag und Handstand verdiente er sich am Rheinufer ein paar Pfennige. Wenn sonntags die Ausflugsdampfer Königswinter ansteuerten, zeigte er an der Anlegestelle seine Kunststückchen. Er wurde zum Königswinterer Original. Als er 1927 verstarb, wurde er auf dem Alten Friedhof beigesetzt. Auf einem Metallkreuz ist auch sein Spitzname verzeichnet. Hermann Schröder hatte es nicht leicht, er war sehr, sehr arm und lebte deshalb 20 Jahre im Krankenhaus Sankt Josef und wurde dort mildtätig von den Armen Dienstmägden Christi versorgt. Die Studenten, die von Bonn herüberkamen, um hier dem Wein zu huldigen, ärgerten Schröder nicht selten. Sie hielten die Münzen an ein Streichholz und warfen sie ihm dann zu. Hermann verbrannte sich die Finger. Er verkaufte auch Ansichtskarten, die ihn im Kopfstand vor der Drachenfelskulisse zeigten. Die Aufschrift: „Hab immer Durst, das ist stadtbekannt. ,Et kleine Hermännche‘ werde ich genannt. Bin gern geseh’n und beliebt bei die Leut‘, steh auf den Kopf und mach andere Freud‘. Prost!“ 

Apropos, Studenten. Zu entdecken ist auch das Grabmal „Zur Erinnerung an die Jungfrau Maria Riegel“, die im Alter von knapp 25 Jahren 1825 verstorben war. Daraus wurde eine Anekdote – das Töchterchen der Wirtsleute vom Burghof sei an gebrochenem Herzen gestorben und habe den Dichter Ludwig Uhland zum Lied „Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein“ inspiriert. Wirklich nur eine Legende, denn das Gedicht entstand bereits 1809.

Auf dem alten Friedhof befinden sich auch Gräber von Verwandten des Malers Franz Ittenbach und des Dichters Gotthold Ephraim Lessing sowie seit 1859 des letzten Mönchs von Heisterbach, Johann Aloys Olzem. Ebenso sind hier die Gräber einer Reihe von Bürgermeistern wie August Mirbach, der in der sensationell langen Zeit von 1841 bis 1890 in Königswinter „regierte“.

Der erste Bürgermeister von Königswinter überhaupt war Hauptmann von Schall. Er wurde 1808 unter napoleonischer Herrschaft zum Maire ernannt. Sechs Jahre später, als viele Tausend Russen durch Königswinter zogen, starb von Schall am Lazarettfieber und wurde auf dem damals neuen Friedhof beerdigt. Seine Grabstätte existiert nicht mehr. Denn: Als 1835 der Gottesacker zum ersten Mal erweitert werden musste, wurden die Grabmäler mit einer hohen Abgabe für die weitere Zulassung belegt. Zahlten die Hinterbliebenen nicht oder gab es keine Angehörigen, wurde das Denkmal entfernt.

Auch Günter Hank wurde hier in der Grabstätte seiner Großeltern, der Familie Linxweiler, bestattet. Hank hatte sich mit der Historie seiner Heimatstadt intensiv auseinandergesetzt, führte zu Lebzeiten über den Friedhof und grub dann all die Episoden über kleine und große Leute aus. Roswitha Oschmann

FÜHRUNG

Tipp: An diesem Sonntag, 23. April, 15 Uhr veranstaltet das Siebengebirgsmuseum eine Führung über den Alten Friedhof am Palastweiher. oro