Mit großer Ausdauer jagen die Schloss-Detektive derzeit nach ganz bestimmten Keramikfliesen von Villeroy & Boch als Fußleisten. „Von der Bordüre fehlt uns noch etwas, es sind 23 laufende Meter, 14 haben wir schon“, berichtet Tanja Bleutgen-Wagner, wissenschaftliche Mitarbeiterin seit vielen Jahren, „es ist wie die Suche einer Nadel im Heuhaufen. Wir möchten die Küche relativ originalgetreu darstellen, auch den Speiseraum der Dienstboten mit Wirtschaftsschrank und Tisch.“
Dort herrschte Leben wie im Haus am Eaton Place. Mit der Legende, dass Baron von Sarter keine Nacht hier oben verbracht haben soll, wollen die Forscher aufräumen. Die zunehmende Digitalisierung alter Zeitungen hält Überraschungen bereit. „Wir haben noch eine Historikerin eingestellt. Es ist atemberaubend, welche neuen Forschungsansätze sich ergeben“, schwärmt Odenthal.
„Sarter war der Erbauer von Schloss Drachenburg, Spinat der Nutzer, vermutlich ein ziemlicher Luftikus, der mit 500 000 Mark ein Schloss erwirbt, wohl durch Hypotheken finanziert, und es hoch verschuldet, obwohl es ihm hoch anzurechnen ist, dass das Gebäude noch steht.“ Aber: „Das Hauptaugenmerk muss auf Sarter liegen, der in Paris sehr vermögend geworden ist und in seiner Heimat ein schlossähnliches Gebäude schafft.“
Ein Bauwerk mit einer bemerkenswerten Ausstattung, mit Bildern von den angesehensten Künstlern und einer herausragenden Substanz. „Es ist kein Königsschloss, aber was waren die Beweggründe, hier ein Schloss zu bauen, was hat Sarter angetrieben? Es deutet darauf hin, dass er seine Wurzeln nie vergessen hat, er muss auch länger auf seinem Schloss gewesen sein“, betont Bleutgen-Wagner. So wurde unterdessen ein Zeitungsartikel in der örtlichen Presse entdeckt, wonach Sarter 1890 einen Damenchor zu einem Sektempfang auf Schloss Drachenburg geladen hatte.
Für Erstaunen sorgte regelmäßig die bisher angenommene kurze Bauzeit von 1882 bis 1884. Odenthal: „Neuen Recherchen nach wurde der Grundstein, der nie gefunden wurde, bereits am 24. August 1881 im Bereich des Rondells gelegt und der Bau war erst 1885 fertig.“ Berichte von Abrissarbeiten wegen einer Tonschicht unterstreichen die Annahme – sie datieren aus dem Jahr 1883.
Internationale Zeitungen geben indes Aufschluss über die Bedeutung Sarters in der Welt. So war der Baron – mit gekauftem Titel – laut einem gefundenen Aktenbestand etwa als Zeuge geladen beim Supreme Court, dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, führt Odenthal als ein Indiz für diese Weltläufigkeit auf, das bisher nicht bekannt war. Gefunden wurde auch die Seite eins der französischen Satirezeitschrift „Le Pilori“ mit Sarter als bellendem Hund mit Pickelhaube auf dem Kopf. „Da muss er schon zu den ganz Großen gehört haben, um es auf den Titel zu schaffen.“ Auch die Berliner Börsenzeitung nennt ihn den „bekannten Baron von Sarter“.
Die Erzählung, er habe bescheiden in einer Drei-Zimmer-Wohnung in Paris gewohnt, wird auch zurechtgerückt. Immerhin lebte der an der Pariser Börse zu Reichtum gelangte Sarter an der prächtigen Avenue d’Italie; die Beziehung zum Vizepräsidenten der Suez-Kanal-Gesellschaft wird ebenso untersucht wie die zu den Filmpionieren Auguste und Louis Lumière, die in der Nachbarschaft wohnten. „Hat Sarter etwa den ersten Film der Brüder, die ersten Bilder aus Europa in die Neue Welt gebracht?“, fragt sich Geschäftsführer Odenthal. Immerhin weilte der Baron zeitweise in New York.
Ein steiler Aufstieg für den Sohn armer Wirtsleute. Waren sie überhaupt arm? Ein entdecktes Porträt der Eltern aus dem Jahre 1848 zeigt die Mutter mit erlesener Kleidung und gutem Schmuck; Sarters Schwester hatte einen Modesalon. Fragen über Fragen. Auf Schloss Drachenburg gibt es noch eine Menge zu tun und zu forschen.
DAS SCHLOSS
Ein Aufrag für viele Generationen
„Die Besucher saugen die Atmosphäre auf, die Aufenthaltsdauer wird immer länger, es öffnen sich neue Einblicke“, betont Geschäftsführer Odenthal. „Das Schloss ist etwas Prägendes am Rhein, ist das Tor zum Rhein, es wurden keine baulichen Kompromisse gemacht, das Niveau bewegt sich auf allerallerhöchstem handwerklichem Niveau bei diesem Bau des Historismus, der in der Qualität seinesgleichen sucht.“ Und: „Wir hoffen, vermuten, dass Schloss Drachenburg auch in 400, 500, 600 Jahren noch steht, dass man es auch 3023 noch anschauen kann, dass es auch dann noch eine Bedeutung als Landmarke hat. Es macht uns demütig im täglichen Handeln, dass wir das Glück haben, in dieser prägenden Sanierungsphase dabei zu sein, was am Ende nur ein Wimpernschlag sein wird. Es ist ein Auftrag für viele Generationen, Schloss Drachenburg zu erhalten.“