„Rheingräfin“ wurde Sibylle Mertens-Schaaffhausen von ihren Bewunderern genannt.
Und ,,La Principessa tedesca" war die außergewöhnliche Frau für die Italiener, die zeitlebens viel in das Land, in dem die Zitronen blühen, reiste und dort auch ihre letzte Ruhe fand. Hier am Rhein wurde sie in ihren Salons im Plittersdorfer Auerhof und an der Wilhelmstraße von Künstlern, Schriftstellern und Gelehrten umringt. Aber auch der Petersberg im Siebengebirge ist Zeuge der munteren Gesellschaften der Rheingräfin. Dichter Wolfgang Müller von Königswinter beschrieb das bunte Treiben so: „Da wurden dann Bowlen gebraut, da wurden Quartette gesungen, da war lauter Lust und Fröhlichkeit."
Sibylles Mutter Anna war eine rheinische Winzerin", wie Sibylla es einmal formulierte, die der Vater Abraham Schaaffhausen, ein Kölner Bankier, 1794 aus Liebe geheiratet hatte, und zwar gegen jeden Vorbehalt aus dem Verwandtenkreis. Maria Anna Giesen stammte aus einer Honnefer Schifferfamilie. Sibylle erblickte am 29. Januar 1797 das Licht der Welt, ihre Mutter verstarb sieben Tage danach an den Folgen der Geburt. Kein guter Start ins Leben, auch wenn er in einer angesehenen katholischen Familie in Köln geschah. Unverheiratete Geschwister des Vaters kümmerten sich um das Kind, bis dann 1800 dessen zweite, 21 Jahre jüngere Ehefrau in das Haus einzog. Sechs Halbgeschwister Sibyllens stellten sich schnell ein; was sie vermisste, und auch zeitlebens beklagte - die Stiefmutter verstand es nicht, ihr Herz zu gewinnen. Und auch mit den Halbgeschwistern wurde sie nicht warm.
Der Vater war aber nicht nur ein Kaufmann großen Stils, sondern auch ein Verehrer von Kunst und Wissenschaft und ein kräftiger Förderer all dessen, was Ferdinand Franz Wallraf für den Erhalt von Historischem tat. Das Interesse an Kunst, Musik und Kultur war also früh geweckt bei Sibylle, die als Liebling des Vaters ihn zu Besuchen bei Wallraf begleitete.
Als die begeisterte Archäologin 1832 eine große Villa an der Wilhelmstraße in Bonn bezog, da war der Oberstock ihrer Sammlung aus der klassischen Antike vorbehalten. Sie verfügte außerdem über eine der bedeutendsten Münzsammlungen Deutschlands und über Sammlungen von Gemälden und alten Kupferstichen. Sie kümmerte sich um die Errichtung des Beethovendenkmals, war Mitbegründerin des Kölner Dombauvereins.
Bis dahin aber lenkte ihr Schicksal sie 1816 blutjung in den Ehehafen mit Joseph Ludwig ,,Lous" Mertens, damals Angestellter des Vaters. Es war ein Arrangement, es ging um die Fortführung der Bank durch den Schwiegersohn. Zwar gebar Sibylla ihrem 16 Jahre älteren Gatten sechs Kinder in zügiger Folge, aber die Ehe war unglücklich, vom ersten Tag an. Eine Scheidung? Unmöglich. ,,Ehehölle" nannte die Lyrikerin Annette von Droste-Hülshoff aus ihrem Freundeskreis Sibylles Los. Aber: Die finanziellen Verhältnisse machten es möglich, dass die Eheleute ihrer eigenen Wege gingen.
Sibylle hatte den Auerhof vom Vater geerbt. Mertens erwarb 1834 für 250 Taler den Petersberg mit Kapelle und Kapellengut, Sibylle ließ die Gebäude sanieren und als Aussichtspunkte gedachte Lichtungen einrichten. Wolfgang Müller von Königswinter schrieb über die Einladungen: ,, ... Damals fehlten auch Schlegel und der alte Arndt nicht. Außerdem fanden sich die übrigen Koriphäen der Wissenschaft ein, denn es war kein Mangel an hübschen Mädchen und heiteren Gesellen..." Frau Mertens-Schaaffhausen habe ihren Besuchern zuweilen selbst den Weg auf den Petersberg gezeigt. Die Rheingräfin war außerdem bekannt dafür, ,,vornehm freigiebigen Gebrauch ihres Reichtums" zu machen.
Als Mertens 1842 starb, begannen für seine Gattin erbitterte Streitigkeiten um die Erbaufteilung mit den Kindern, die in der Folge große Teile ihres Vermögens veräußern musste. Gerangel auch um den Besitz auf dem Petersberg. Zwei Schwiegersöhne erwarben das Anwesen bei der Versteigerung 1847 und verkauften fast zehn Jahre später an die Brüder Nelles, die das Gut zu einem Berggasthof vergrößerten.
Sibylle Mertens-Schaaffhausen, deren Zuneigung Gefährtinnen wie Adele Schopenhauer oder der Marchesa Laura Spinola galt, war am Ende einsam, trostlos und verlassen ,,in einem Geisterhaus", wie es eine Besucherin formulierte. Sibylle reiste nach Rom, wo sie am 22. Oktober 1857 verstarb und auf dem Friedhof des Campo Santo Teutonico beigesetzt wurde.
Ihre Sammlungen? Sie sind in der Welt verstreut. Ganz erhalten blieben ihre Autographensammlung, die sie der Bonner Uni-Bibliothek vermachte, und eine wertvolle Einzelsammlung römischer Asse, dies allerdings durch Diebstahl. Sibylle hatte diese Münzen bei einem römischen Antiquar in Obhut gegeben, der starb darüber und die Erben verkauften die Sammlung trotz der Versuche, sie zurückzuerhalten, an das berühmte Museum Kircherianum. oro