Es war eine Geschichte für Träume und Tränen – ein in Paris zu Reichtum gelangter Bonner baut für seine Jugendliebe in der Heimat ein hochherrschaftliches Haus, aber weil die Angebetete stirbt, verbringt der Bauherr nicht eine Nacht in diesen Mauern. Die Rede ist von Schloss Drachenburg und von Baron Stephan von Sarter.
Über Jahrzehnte wurde an dieser feinen Erzählung um das „Neuschwanstein von Königswinter“ gesponnen. Und dann kam auch noch Paul Spinat ins Spiel, der das neugotische Bauwerk in den 1970er Jahren vor dem Abriss rettete und dessen Schlossherrendasein ebenfalls mit köstlichen Anekdötchen umrankt war – wer finanziert schon ein Schloss über einen Bausparvertrag, gibt Konzerte an einer teils aus Regenfallrohren bestehenden Orgelattrappe auf der Balustrade des Musikzimmers oder empfängt in einer Phantasieuniform das Bundesverdienstkreuz?! Der Erbauer indes war bei diesem Webstoff aus kuriosen Geschichten schon fast ins zweite Glied gerückt.
Aber das soll sich ändern. „Sarter war eine spannende Person seiner Zeit, er war ein Kosmopolit, der in der Welt unterwegs war“, sagt Joachim Odenthal, seit mehr als 20 Jahren Geschäftsführer der Schloss Drachenburg gGmbH. Sarters Leben soll noch viel intensiver erforscht werden, während gleichzeitig auch das Bauwerk selbst dem Besucher immer wieder Überraschungen bereithalten wird. So wie über den Baron immer neue Details „ausgegraben“ werden, ist das Schloss-Drachenburg-Team stets auf der Suche nach Raritäten aus der Zeit, um das Bauwerk so auszuschmücken, dass es dem „Wohn- und Arbeitsgefühl“ der Entstehungszeit entspricht.
Ein großer Schritt gelang bereits mit dem Einbau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten und nach den wiederentdeckten Originalplänen rekonstruierten Glaskunstfenstern in der Kunsthalle, die mittlerweile komplett sind. Sie wirken durch ihren immer unterschiedlichen Lichteinfall intensiv auf die Betrachter, die hier auch Platz nehmen dürfen, um ganz in Ruhe zu schauen und sich in die kunstvollen Bilder zu vertiefen. Das Land NRW hatte bekanntlich 1989 das Schloss zurückgekauft – und mit dem Übergang an die Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege wurde eine jahrelange denkmalgerechte Sanierung eingeleitet. Dabei wurden die Fenster zunächst mit satiniertem Glas ausgestattet; eine beispiellose Spendenaktion führte dazu, dass in unerwartet kurzer Zeit es wieder „bunt zugeht“
Derzeit wird alles darangesetzt, um die alte Küche zu rekonstruieren und die gesamte Wirtschaftsebene erlebbar zu machen. „Meine Erfahrung über all die Jahre: Die Leute fragen immer wieder, wo ist die Küche, wie sind die Badezimmer. Ich habe ja selbst in meiner Kindheit ,Eaton Place‘ geguckt – was sich da in der Küche abspielte, war doch viel interessanter als das Geschehen bei den Herrschaften. Wir verändern deshalb Strukturen“, erzählt Odenthal.
Die Grundlage bildet ein gefundener Grundriss aus der Ära Biesenbach von 1909 – mit vielen Lagerräumen, mit Kohlenkeller, Spülküche, Personalraum. „Wir wollen das Funktionieren präsenter machen, zum Beispiel zeigen, wie gebügelt, wie die Wäschemangel noch mit der Hand bedient wurde, wo gespült wurde und wo sich die Dienstboten zum Essen hingesetzt haben“, so der Geschäftsführer.
Schlossbesucher werden schon bald die alte Küche besichtigen können, die derzeit originalgetreu eingerichtet wird. Von den eigenen Handwerkern werden die Arbeiten erledigt. Auch der Speisenaufzug soll rekonstruiert werden. Das Team ist immer auf der Suche nach Mobiliar und Hausrat. Odenthal präsentiert den aufgegabelten Staubwedel aus Straußenfedern oder auch den Universal-Staubreiniger aus Holz, der den Staub auch aus der engsten Ritze in Nullkommanichts wegpustet. Das uralte Bügeleisen steuerte der Hausmeister bei.
Wie glücklich waren Odenthals Mitarbeiter, über ebay aus einem alten Gutshof aus der Lüneburger Heide einen Herd, der dort weichen musste, erwerben zu können, der nun hier auf dem Schloss einzieht. „Der Herd passt von der Größe her. Es ist keine hundertprozentige Rekonstruktion, aber sie nähert sich der ursprünglichen Ansicht.“ Aus der Sarter-Zeit gibt es keine Fotos, aber dessen Neffe Biesenbach als nächster Eigentümer ließ etliche anfertigen – ein Schatz der Erkenntnis. Selbst eine große Zwiebackdose, die auf den Aufnahmen in einem Regal zu entdecken ist, konnte aufgetrieben werden. Es sind oft gerade die Kleinigkeiten, die den Charme für Besucher ausmachen.
Aus einem Schloss von der anderen Rheinseite stammen Waschtisch, Spülstein, Tische und Kommoden. „Mit Patina. Die Sachen sind 150 Jahre alt, denen sieht man das Leben an.“ Derartige Buffetschränke sucht die Schloss-Mannschaft noch. „Bei Antiquitätenhändlern gibt es die Möbel meist abgebeizt in Natur oder weißlackiert, wie neu. Bei uns dürfen sie gerne einen Sprung in der Scheibe oder einen abgebrochenen Griff haben.“ Roswitha Oschmann