Langzeitfolgen besser verstehen und behandeln

An der Uniklinik Düsseldorf gibt es seit 2020 eine Long-Covid-Ambulanz. Fotos: Universitätsklinikum Düsseldorf/UKD

Eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert war, leidet noch Monate später an Symptomen wie Erschöpfung und eingeschränkter Leistungsfähigkeit. Deshalb ist es wichtig, weiterhin intensiv zu den Ursachen von Long Covid zu forschen.

Oberarzt Dr. Björn Jensen leitet das Studienprojekt am Universitätsklinikum Düsseldorf.
Oberarzt Dr. Björn Jensen leitet das Studienprojekt am Universitätsklinikum Düsseldorf.

Im Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) hat man sich bereits früh mit dem Thema Long Covid – zunehmend wird heute der Begriff Post-Covid-Syndrom (PCS) verwendet – auseinandergesetzt. So wurde im Herbst 2020 eine Long-Covid-Ambulanz gegründet, darüber hinaus wird das Forschungsprojekt Beyond Covid-19, das die Langzeitfolgen von Covid-Erkrankungen untersucht, dort koordiniert. Zuständig für das wissenschaftliche Projekt ist Dr. Björn Jensen, Oberarzt der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie und Bereichsleiter Spezielle Infektiologie am UKD. Die klinische Versorgung von Patienten wird über die Long-Covid-Ambulanz von Funktionsoberarzt Dr. Hans Martin Orth und Dr. Alexander Mertens organisiert.

Die Ambulanz dient als Anlaufstelle für Patienten mit anhaltenden Beschwerden und Einschränkungen nach einer Covid-Erkrankung und neben der rein medizinischen Versorgung als Schnittstelle zwischen Klinik und Wissenschaft. „Das Projekt Beyond Covid hat im Laufe des vergangenen Jahres erheblich an Fahrt aufgenommen. Die beteiligten Zentren in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster haben bisher etwa 750 Patientinnen und Patienten rekrutiert, rund 30 weitere stellen sich innerhalb dieses Verbundprojekts pro Woche vor“, erläutert Jensen. Diese hohe Anzahl an Studienteilnehmern und die Beobachtung über so einen außergewöhnlich langen Zeitraum, nämlich drei Jahre, sei nur durch die Förderung des Ministeriums für Kunst und Wissenschaft (MKW) möglich, so der Oberarzt weiter. „Dafür sind wir sehr dankbar“, sagt er. Die beteiligten Ärzte und Wissenschaftler hoffen, im weiteren Verlauf wesentlich zum besseren Verständnis des PCS beitragen zu können – auch im Hinblick darauf, welche Rolle die psychische Gesundheit spielt.

Die Anzahl der Patientenanfragen übersteige die Kapazitäten der Long-Covid-Ambulanz, sagt Dr. Alexander Mertens.
Die Anzahl der Patientenanfragen übersteige die Kapazitäten der Long-Covid-Ambulanz, sagt Dr. Alexander Mertens.

Zu den Teilnehmern gehört Stefan K. Der 60-jährige Düsseldorfer war bereits zweimal an Corona erkrankt, ist zudem inzwischen dreimal geimpft. „Das erste Mal war ich im November 2020 infiziert. Ich musste zwar nicht ins Krankenhaus, hatte aber doch einige Wochen mit dem Virus zu kämpfen“, erinnert er sich. Zum zweiten Mal erwischte es ihn – mit deutlich milderem Verlauf – im September 2021. Und weil er anschließend eine ganze Weile an Konzentrationsstörungen und verminderter Leistungsfähigkeit litt und eine solche Studie für sehr sinnvoll hält, sagte Stefan K. sofort zu, als er im vergangenen Sommer die Anfrage zur Teilnahme erhielt. Sein erster rund vierstündiger Termin in der Long-Covid-Ambulanz hat kürzlich stattgefunden. „Nach einem ausführlichen Aufklärungsgespräch erfolgten viele Untersuchungen, beispielsweise Konzentrationstests, Blutuntersuchungen, EKG, Lungenfunktionstest und einige mehr“, sagt er. Die Betreuung sei sehr professionell und freundlich gewesen. Seine – unauffälligen – Befunde hat er inzwischen erhalten und mit seinem Hausarzt besprochen. Innerhalb der nächsten drei Jahre werden nun weitere Termine im UKD folgen. Aktuell geht es Stefan K. gut.

Grundsätzlich nimmt die Häufigkeit von PCS derzeit zwar ab, aber die Ursachen werden weiterhin intensiv erforscht. Als zunehmend gesichert, so Mertens, könne ein Zusammenspiel aus virusbedingter Entzündung, Autoimmunität und Blutgefäßschädigungen sowie eine längerfristige Viruspersistenz, also das Fortbestehen des Virus oder seiner Bestandteile, angenommen werden. „Zahlreiche Veröffentlichungen und die Mitte vergangenen Jahres erschienene deutsche Leitlinie zum Post-Covid-Syndrom haben zwar diagnostische und therapeutische Kriterien schärfer definiert, die Behandlung des PCS stützt sich aber im Wesentlichen weiterhin auf eine enge interdisziplinäre Fotos: Universitätsklinikum Düsseldorf/UKD Zusammenarbeit verschiedenster Fachbereiche“, erläutert er.

Wer einen Termin in der Long-Covid-Ambulanz vereinbaren möchte, braucht nach wie vor Geduld. „Wir haben mittlerweile – neben dem laufenden Beyond Covid-Forschungsprojekt – mehrere Hundert Patienten in der Long-Covid-Ambulanz betreut. Die Anzahl der Anfragen aus der Bevölkerung übersteigt dennoch weiterhin deutlich unsere Kapazitäten, sodass aktuell Wartezeiten von mehreren Monaten auch bei uns üblich sind“, so Mertens. Darüber, dass dies angesichts der unter Umständen starken und vielfältigen körperlichen und psychosozialen Einschränkungen der Patienten unbefriedigend ist, sind sich die engagierten Ärzte einig. Der überwiegende Teil der Betroffenen – in Düsseldorf kann von einer niedrigen fünfstelligen Zahl ausgegangen werden – wird derzeit durch ambulante Allgemeinärzte und fachspezifische Praxen betreut. „Dennoch wäre es wünschenswert, wenn weitere spezialisierte Long-Covid-Ambulanzen und eine bessere Vernetzung aller beteiligten Praxen und Kliniken die Versorgungsstrukturen stärken würden“, so Jensen. Beate Werthschulte

Info

Hilfe finden Betroffene auch in Selbsthilfegruppen. Einen ersten Überblick über Initiativen listet die Website der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen auf www.nakos.de/aktuelles/corona/

Mehr Informationen über den aktuellen Wissensstand zum PCS gibt es auf der Long Covid-Informationsseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) https://www.longcovid-info.de/