Ich habe diese Nacht schlecht geschlafen.“ „Oh, ich auch.“ Solche Sätze hört man immer häufiger. Schlafprobleme sind zu einer Volkskrankheit geworden. Laut Gesundheitsreport 2017 der Krankenkasse DAK schlafen 80 Prozent der Erwerbstätigen schlecht. In NRW leidet ein Viertel der Befragten (24,1 Prozent) unter schlechter Schlafqualität.
Die Zahlen dürften heute ähnlich ausfallen. Jedenfalls klagen Schlafmediziner nicht über mangelnde Nachfrage. Die Klinik für Schlafmedizin Düsseldorf (im Grand Arc) zum Beispiel ist permanent ausgelastet, wie Chefarzt Dr. Hartmut Grüger berichtet. Das Schlaflabor hält 20 Betten für die Schlafdiagnostik vor; pro Jahr kommen 15.000 Patienten. Nach verschiedenen Statistiken sind 40 Prozent der Schlafstörungen organisch bedingt – hier ist insbesondere die Schlafapnoe zu nennen, also häufige Atemaussetzer. Die Zahl der Patienten nimmt aus verschiedenen Gründen zu. Grüger nennt Übergewicht, aber auch die zunehmende Alterung der Bevölkerung und die Zunahme bei Allergien. Alkohol, Medikamente und selbst Schlafmittel begünstigen ebenfalls die Apnoe. Erst seit wenigen Jahren hat man erkannt, dass auch viele Frauen betroffen sind. Sie schnarchen weniger. Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schlaflosigkeit können aber auch bei ihnen Folgen einer Apnoe sein.
60 Prozent der Schlafstörungen haben psychische Ursachen, zitiert Grüger Statistiken. „Insbesondere hier stellt man eine dramatische Zunahme fest.“ Die Ursachen sind sehr vielschichtig, wie der Schlafexperte feststellt. „Es gibt leider keine professionelle Versorgungsstruktur für psychogene Schlafstörungen“, bedauert der Experte. So bekommen Patienten oft zunächst einfach Schlaftabletten. Damit werden die Symptome behandelt, nicht aber die Ursachen.
Diese liegen gerade in Städten wie Düsseldorf auch in einer veränderten Lebensweise. In den zurückliegenden 40 Jahren habe sich die durchschnittliche Schlafzeit um eine Stunde verkürzt, erklärt Grüger. Abends sind die Menschen unterwegs, machen noch Sport, schauen fern, beschäftigen sich sogar im Bett noch mit dem Smartphone – alles Faktoren, die die Schlafqualität mindern. Zu regelmäßigen Zeiten zu Bett zu gehen passt nicht ins Konzept – „Schlafhygiene ist in der Bevölkerung unbeliebt“, stellt der Arzt fest. Viele Menschen leiden aber unter ihrem Lebensrhythmus, zum Beispiel durch Schicht- und Abendarbeit.
Dr. Sabine Forsch, Fachärztin beim medizinischen Informationsservice AOK-Clarimedis, bestätigt diese Wahrnehmungen. Der Service beantwortet AOK-Versicherten Fragen zum Thema Gesundheit – rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Aus der Erfahrung der Gespräche teilt Dr. Forsch die Einschätzung, dass Schlafstörungen zunehmen und häufig psychische Ursachen haben. Viele Ratsuchende sagen am Telefon, sie würden doch schon alles tun, was zur Schlafhygiene empfohlen wird. „Aber, wenn man genauer nachfragt, räumen sie ein, dass sie abends noch fernsehen oder sich in sozialen Medien tummeln.“ Manche hätten aber auch falsche Erwartungen. Nicht jeder brauche acht oder zehn Stunden Schlaf. Und ob man eher Typ Lerche (früh wach, aber abends auch früher müde) oder das Gegenteil, Typ Nachteule, ist, das hängt von der individuellen inneren Uhr ab, auf die man hören sollte.
In einer Metropole wie Düsseldorf kommen als Ursachen aber auch Einflüsse hinzu, für die die Menschen nichts können. Allen voran Lärm. Darüber klagen zum Beispiel Bewohner in der Nähe des Flughafens, an der A59 in Benrath oder an der S-Bahn-Strecke in Rath. Düsseldorf hat einen Lärmaktionsplan für die Stadt erstellt und auch Ansprechpartner für Lärmbeschwerden benannt (www.duesseldorf.de/ordnungsamt/service/laerm.html).
Immerhin gibt es Hoffnung für Menschen mit Schlafstörungen. Lärmschutzmaßnahmen helfen gegen externe Störungen. Und medizinisch tut sich auch viel. Eine Schlafapnoe lässt sich wirksam mit einem Atemgerät und Maske behandeln. Man arbeite zudem an Medikamenten, sagt Grüger. Als hilfreich hat sich auch eine App erwiesen: Somnio heißt das Schlaftrainingsprogramm, das sogar vom Arzt verordnet und somit von der Kasse bezahlt werden kann. Die Schlafklinik hatte im Vorfeld zusammen mit der Abteilung Klinische Psychologie der Düsseldorfer Uni in klinischen Studien eine hohe Wirksamkeit festgestellt. Bei der Hälfte der Studienteilnehmer habe sich die Schlafqualität relevant verbessert, sagt Grüger. Jürgen Grosche
Tipps von der Expertin
• Abends kein Fernsehen und kein „Handy-Daddeln“
• Lieber einen Spaziergang ... und/oder Entspannungsübungen, zum Beispiel autogenes Training, Yoga oder Qigong
• Keine schweren Mahlzeiten essen kurz vor dem Schlafengehen
• Das Schlafzimmer ist nur zum Schlafen da (nicht zum Arbeiten, Fernsehen und so weiter).
• Stift und Zettel neben das Bett legen. Gedanken notieren, statt zu grübeln
• In Schlaflos-Phasen besser mal aufstehen, als sich im Bett hin und her zu wälzen
Dr. Sabine Forsch, Fachärztin bei AOK-Clarimedis
Tipps von dem Experten
• Wearables (Smartwatches und andere Geräte) können Schlafdaten aufzeichnen. Das kann hilfreich für eine erste Kontrolle sein.
• Über solche Systeme versuchen, die individuelle Schlafzeit genauer zu erkennen.
• Der Rhythmus ist wichtig. Regelmäßige Schlafzeiten auch am Wochenende einhalten und große Schwankungen vermeiden
• Neben Alkohol und Rauchen auch schlecht e Ernährung abstellen
• Schlafzimmer kühlen
• Bei Schlafproblemen Arzt ansprechen und sich nicht davor scheuen sich über Schlafprobleme, Ursachen und Hilfen informieren
Dr. Hartmut Grüger, Chefarzt der Klinik für Schlafmedizin Düsseldorf