Mehrere Ausbildungsberufe wurden neu erfunden oder mit neuen Inhalten angereichert - für junge Menschen wächst damit Vielfalt der Auswahl

Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB): Man lernt ja nie aus

Als Gestalter für immersive Medien muss sich der Azubi (im Bild mit der VR-Brille) mit der Schaffung virtueller Realitäten beschäftigen. FOTO: WORLD OF VR

Die deutsche Wirtschaft steckt in einem Dilemma: Auf der einen Seite verzeichnet sie an allen Ecken und Enden einen eklatanten Mangel an Fachkräften, auf der anderen Seite wollen immer weniger Menschen eine duale Ausbildung durchlaufen. Dabei ist es genau dieser Ausbildungsweg, der den Einstieg in spannende, vielseitige und zukunftsträchtige Berufe ermöglicht. Wir haben uns auf dem Arbeitsmarkt umgeschaut und einige neue Ausbildungsberufe entdeckt

„Die Auswirkungen der ökonomischen und ökologischen Transformation, die zunehmende Digitalisierung sowie das Thema ‚Nachhaltigkeit‘ stellen die berufliche Bildung vor nie gekannte Herausforderungen“, erklärt der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Friedrich Hubert Esser in einer Pressemitteilung. Und weiter im Zitat: „Gleichzeitig bieten sie die einmalige Chance, ihr wieder den gesellschaftlichen Stellenwert zukommen zu lassen, den sie verdient, denn zur Lösung der zu bewältigenden Aufgaben kann die berufliche Bildung substanzielle Beiträge liefern. Damit dies gelingt, brauchen wir jedoch genügend gut qualifizierten Fachkräftenachwuchs.“

Damit die Suche nach interessierten Nachwuchs-Azubis Erfolge zeigt, muss sich auch der Ausbildungsmarkt modernisieren und mit der Zeit gehen. Zum Start des neuen Ausbildungsjahres im August sind daher eine neue und fünf modernisierte Ausbildungsordnungen in Kraft getreten. Damit ist die Gesamtzahl der anerkannten dualen Ausbildungsberufe auf 328 gestiegen.

Gestalter/-in für immersive Medien

Viele junge Menschen, die vor der schwierigen Berufswahl stehen, haben also die Qual der Wahl. Wie wäre es daher mit „Gestalter/-in für immersive Medien“. Über das Informationsportal foraus.de erfahren wir, dass Immersive Medien mediale Formen sind, die zum Ziel haben, „das Bewusstsein von Nutzern - durch illusorische Stimuli – in eine virtuelle, oftmals interaktive Welt mitzunehmen.“ Sie sollen also in eine computergenerierte Umgebung eintauchen (Immersion) können.

Hier spiegelt sich der Trend zur Bewegung in virtuellen Welten wider, der vor allem von Firmen wie Facebook und Google vorangetrieben wird. Wenn es nach denen geht, soll in nicht allzu ferner Zunft ein großer Teil des Alltags in und über diese Welten stattfinden. Die Ausbildung ist also heute schon anwendbar und gleichzeitig enorm zukunftsorientiert.

Auf der Informationsseite gestaltung-immersiv.de heißt es zum Ausbildungsgang: „Die Auszubildenden erlernen innerhalb der drei Ausbildungsjahre unter anderem 3DModeling, 3D-Animation, Shading, Texturing und 3D-Audio. Die Entwicklung der Produkte erfolgt dabei durch Spiel-Engines wie Unity oder Unreal. Weitere Lerninhalte sind die Kundenberatung und das Projektmanagement. Die Fachkräfte arbeiten dabei in Teams mit Programmierern und 3D-Artists zusammen. Sie erstellen eigenverantwortlich Bild- und Tonaufnahmen für die Produktion und unterstützten die Präsentation und Demonstration von Lösungen bei Kunden.“ www.gestaltung-immersiv.de

Glasapparatebauer

Von Grund auf modernisiert wurde der Ausbildungsgang zum Glasapparatebauer, bei dem nach BiBB-Information „Präzision, Sorgfalt und handwerkliches Geschick“ für die Herstellung von Glasapparaten wie Trichtern, Reaktionsgefäßen und Kühlern benötigt werden. Das Berufsbild ist enorm vielseitig, die Fachkräfte arbeiten in handwerklichen und industriellen Betrieben sowie in Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen in den Einsatzgebieten Borosilikatglas, Quarzglas und Weichglas. Wichtig auch hier, wie in den meisten neuen Berufsbildern: Die Aufstiegschancen sind durch Weiterbildungen und Qualifizierungen immer möglich. www.ausbildung.de/berufe/glasapparatebauer/

Karosserieund Fahrzeugbaumechaniker

Auch die KFZ-Branche muss sich in vielen Bereichen völlig neu orientieren. Man könnte allerdings glauben, zumindest die Karosserien blieben vom dramatischen Wandel unbehelligt. Doch weit gefehlt, denn auch die Berufsausbildung Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker wurde kräftig umgestellt und erweitert.

Angesichts fortschreitender Elektromobilität wurde eine fachrichtungsübergreifende Zusatzqualifikation für den Umgang mit Hochvoltkomponenten entwickelt. Und „neben Karosserieinstandhaltungstechnik sowie Karosserieund Fahrzeugbautechnik gibt es künftig die Spezialisierung auf die Caravan- und Reisemobiltechnik“, heißt es aus dem BiBB. „Damit wird der steigenden Nachfrage nach entsprechenden Fahrzeugen im Freizeitbereich Rechnung getragen.“

Das Berufsbild ist damit so bunt und vielfältig wie die Automobilbranche selbst. „Arbeiten unter Spannung an Hochvoltkomponenten“, Sachkundenachweise wie klebetechnische Anforderungen oder die Instandhaltung von Klimatechnik und Rückhaltesystemen sind Bestandteile der Ausbildung. Es gibt also viel zu lernen – und eine vorzügliche Zukunftsperspektive, denn die Mobilität wird immer ein Thema sein, und wer jetzt auf den Zug aufspringt, fährt von der Poleposition mit. www.wasmitautos.com/ausbildung/karosserie-und-fahrzeugbaumechaniker-in/

Mediengestalter Digital und Print

Auch die scheinbar unbegrenzt sich ausweitende Welt der Medien unterliegt einem kontinuierlichen Wandel. Entsprechend produzieren Mediengestalter heute vor allem digitale Produkte, die uns im Alltag begleiten. Das reicht von Nachrichtenwebseiten, Wetterinfos auf digitalen Stelen an öffentlichen Orten bis hin zu den vielen Smartphone-Apps. Die nun modernisierte Ausbildungsordnung eröffnet Absolventen viele neue – dann auch akademische – Berufsfelder wie Medienfachwirt, Techniker oder Gestalter. JÖRG WILD

www.bibb.de/dienst/berufesuche/de/index_berufesuche.php/profile/apprenticeship/meddp23

KARRIERE

Berufe im Wandel

Wie anpassungs- und wandlungsfähig die duale Berufsausbildung in Deutschland ist, verdeutlicht auch die Anzahl von insgesamt 130 Ausbildungsordnungen, die das BIBB gemeinsam mit den zuständigen Bundesministerien, den Sozialpartnern und den Sachverständigen aus der betrieblichen Praxis seit 2013 neu erarbeitet oder überarbeitet und an die aktuellen wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Anforderungen angepasst hat. Weitere Neuordnungsprojekte in den kommenden Monaten betreffen insgesamt 19 Berufe aus dem Baubereich, vier umwelttechnische Berufe, den Industriekaufmann/die Industriekauffrau sowie den Feinoptiker/die Feinoptikerin. jöw

Comeback der Karrieremessen

Durch die Corona-Pandemie wurden lokale Karrieremessen oft auf ein Minimum an Ausstellern reduziert oder sind ganz ausgefallen. Damit ist nun offenbar Schluss. So verzeichnet der 13. Bonner Karrieretag einen Ausstellerrekord, was davon zeugt, dass Unternehmen verschiedener Branchen händeringend nach Arbeitskräften suchen.

Anscheinend besteht auch auf Bewerberseite ein großes Interesse an dem Konzept Karrieremesse. So verzeichnete die Rheinbacher Ausbildungsmesse am 9. September trotz hochsommerlichen Temperaturen einen Besucherrekord von über 3000 Teilnehmenden. „Das Bedürfnis nach persönlichem Austausch ist riesig und kann durch nichts ersetzt werden“, schlussfolgert Ann-Kathrin Schäfer, die bei der Wirtschaftsförderung Rheinbach (WFEG) für die Rheinbacher Ausbildungsmesse verantwortlich ist. Nach drei Jahren Pause ist die Freude der Veranstalter besonders groß, dass die Messe weiterhin derart beliebt ist, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung.

„In Zeiten des Fachkräftemangels ist es entscheidend, junge Talente frühzeitig zu fördern und für die Chancen unserer Region zu begeistern“, bekräftigt Joachim Rasch, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Rheinbach. „Die über 3.000 Besucher haben gezeigt, dass das Interesse an Ausbildung und beruflichen Perspektiven hoch ist.“ nir