Das Programm „Berufliche Orientierung für Zugewanderte“ ist eine Erfolgsstory

Das BOF-Programm: Aus der Flucht in die Arbeit

Gesucht und gefunden haben sich Fielmann-Filialleiter Alexander Bach (links) und sein neuer Azubi Elias Abd-Omer. FOTO: JÖRG WILD

Eilas stammt aus Somalia. Eine lange, schwierige Reise hat ihn nach Bonn geführt, wo er einen persönlichen und beruflichen Neuanfang starten will. Den Einstieg ins Arbeitsleben ermöglicht ihm das Bundesprogramm „Berufliche Orientierung für Zugewanderte“, das für viele Geflüchtete und Migranten eine einmalige Chance darstellt.

Elias Abd Omer hat vor neun Jahren als damals 15-jähriger Jugendlicher gemeinsam mit seiner Mutter eine abenteuerliche Flucht aus Somalia bis nach Libyen und dann mit dem Schlauchboot übers Mittelmeer überstanden. Über Italien ist er nach Deutschland gekommen. Hier hat er nicht nur sehr schnell sehr viel von der völlig fremden deutschen Sprache gelernt, sondern auch innerhalb von zwei Jahren einen Hauptschulabschluss absolviert.

Heute treffen wir ihn in der Bonner Filiale der Optiker-Kette Fielmann, wo er seit Kurzem eine Ausbildung absolviert. Alexander Bach, Filialleiter des Geschäfts in der Remigiusstraße, hat den jungen Mann bei einem Sehtest kennengelernt und sehr schnell die Potentiale erkannt, die in ihm schlummern. „Wir haben uns während des Sehtestes unterhalten, mich hat seine Geschichte fasziniert“, berichtet Bach von dem Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses. „Aber auch seine Offenheit, seine wache Intelligenz und sein unglaublich ansteckendes Lachen.“ Noch während des ersten Kennenlernens bot Bach Elias ein Praktikum an – und der griff sofort zu.

Dass Elias die Chance hat, sich in einem lokalen Unternehmen über die Möglichkeiten einer Berufsausbildung zu informieren, verdankt er zum einen der Menschenkenntnis von Alexander Bach, zum anderen auch dem Bundesprogramm „Berufliche Orientierung für Zugewanderte“ (BOF), das 2016 vom Bundesbildungsministerium aufgelegt wurde und seither auch von dort die nötige Finanzierung erfährt.

Das Programm besteht aus mehreren Abschnitten. Es richtet sich an nicht mehr schulpflichtige Zugewanderte, die alle einen „Arbeitsmarktzugang“ haben müssen – also von der zuständigen Ausländerbehörde eine entsprechende Genehmigung erhalten haben, arbeiten zu dürfen oder eben eine Ausbildung beginnen zu können. Das können durchaus auch „geduldete“ Asylbewerber sein. Und sie müssen das Sprachniveau B1 vorweisen können.

Über die Teilnehmerauswahl heißt es im Informationsmaterial: „Vor Beginn eines BOF-Kurses wird geprüft, ob die interessierte Person das Potenzial und die Kompetenzen für eine spätere Vermittlung in die angestrebte Ausbildung mitbringt. Hierzu zählen sowohl Deutschsprachkenntnisse als auch schulische Grundkenntnisse sowie personale, soziale und methodische Kompetenzen.“

Dann kann es aber losgehen. Bis zu 26 Wochen dauert die berufliche Orientierung und Vorbereitung, die die Teilnehmenden schrittweise auf eine Berufsausbildung vorbereitet und dabei kontinuierlich begleitet. Zunächst finden in Werkstätten und Praxisräumen von Berufsbildungsstätten sogenannte Werkstatttage statt. Sie dienen dem intensiven Kennenlernen verschiedener Berufsfelder und der Vorstellung von Aufbau und Inhalten der dualen Ausbildung in den gewählten Berufen. Schon jetzt stehen natürlich auch der Ausbau der Sprachkenntnisse mit auf dem Stundenplan, denn die sind das A und O jeder Berufsausbildung.

Das Sanitärhandwerk sucht händeringend Nachwuchs. Für junge Zugewanderte könnte der Beruf über das BOF-Programm der ideale Start sein. FOTO: BOF-ROGRAMM/BMBF/JULIA KREUZER
Das Sanitärhandwerk sucht händeringend Nachwuchs. Für junge Zugewanderte könnte der Beruf über das BOF-Programm der ideale Start sein. FOTO: BOF-ROGRAMM/BMBF/JULIA KREUZER

Elias hatte nach mehreren Jobs in ganz unterschiedlichen Branchen und nach einigen Praktika die Möglichkeit, den BOF-Kurs in der Berufsbildungsstätte von Grone Bonn in Königswinter zu besuchen. Danach war er bereit für ein Praktikum, als das Schicksal ihn mit Alexander Bach zusammenführte. Denn nach den Werkstatttagen müssen alle Kursteilnehmer für vier bis maximal acht Wochen eine Betriebsphase durchlaufen, die Elias nun bei Fielmann absolvieren konnte. In einem Ausbildungsbetrieb lernen sich die Kursteilnehmenden und der Betrieb kennen – und im Idealfall schätzen. Und so wie sich Elias und Fielmann „gefunden“ haben, geht es vielen Partnern in dem Programm. Schnell erkennen die Beteiligten die gegenseitigen Vorteile, und meist entsteht daraus ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis.

Auch bei Elias scheint die Suche nach vielen Fehlschlägen nun ein glückliches Ende gefunden zu haben. Die Aufgaben sind enorm vielseitig, und die Materie liegt ihm. „Er trägt ein enormes Talent in sich“, berichtet Alexander Bach sichtlich zufrieden von seinem neuen Azubi. Der große und sehr soziale Arbeitgeber Fielmann kann dem jungen Mann aus Somalia nach der Ausbildung weitere Aufstiegschancen ermöglichen. Der Weg in den deutschen Arbeitsmarkt ist für ihn damit geebnet – und die Optiker-Kette hat einen neuen Fachangestellten gewonnen.

Seit 2016 haben jährlich rund 1000 Zugewanderte an den Maßnahmen teilgenommen, berichtet Gerburg Benneker, die zuständige Referentin im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Eine relativ neue Evaluierung des Programms hat ergeben, dass 98 Prozent der Teilnehmer das durchaus komplizierte Ausbildungssystem der Bundesrepublik verstanden haben und ziemlich genau wissen, welchen Weg sie einschlagen wollen. Und auch bei den Betrieben ist die Offenheit gestiegen, Zugewanderten Praktika zu ermöglichen. Durch den sogenannten „Klebeeffekt“ bleiben anschließend ganz häufig die Praktikanten als zukünftige Auszubildende dem Betrieb verbunden – so wie in unserem Fall Elias bei Fielmann.

Ganz besonders erfreulich sind die zunehmenden Integrationszahlen von Frauen im BOF-Programm. Durch Änderungen in den Vorschriften nutzen vor allem Frauen nun die Möglichkeit einer Teilnahme in Teilzeit , und sie erhalten Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Vor allem die hohen Zahlen geflüchteter Frauen aus dem Kriegsgebiet der Ukraine haben diese Entwicklung nochmals begünstigt.

Der Fachkräftemangel in Deutschland wird durch das BOF-Programm sicher nicht allein bekämpft. Aber es sind diese Maßnahmen, die junge Menschen wie Elias mit Flucht- und Migrationsgeschichte in unsere Gesellschaft integrieren und sie zu den Facharbeitern der Zukunft ausbilden, die Deutschland so dringend braucht. JÖRG WILD

Das Bundesinstitut für Berufsbildung BIBB hat unter www.bibb.de/de/62186.php eine große Seite mit vielen Infos und Kontaktdaten eingerichtet. Kurse können beispielsweise über die Grone Bildungszentren Nordrhein Westfalen Rheinland belegt werden: www.grone.de