Beuel steckt voller Geschichten und Traditionen. Es lohnt sich, genauer in die Vergangenheit der Gemeinde zu blicken – dann macht das gemeinsame Feiern noch mehr Spaß. Wir haben uns für diesen Bericht von Petra Clemens durch die Gassen und durch die Historie Beuels führen lassen, denn seit zehn Jahren ist die freiberufliche Stadtführerin für StattReisen Bonn tätig. Sie kennt sich in Beuel aus wie in ihrer Westentasche.
Als ersten wichtigen Anlaufpunkt besuchen wir direkt neben der Kennedybrücke das Mehlem`sche Haus. Der Name hat übrigens nichts mit dem Bonner Stadtteil zu tun, sondern weist auf den Erbauer hin. Auf dem Weg dorthin gibt es einen unterhaltsamen Gang durch die Jahrhunderte. Es geht um Römern und Franken, den 30-jährigen Krieg, das Herzogtum Berg, die Preußen und natürlich um die Franzosen. „Es herrschte oft Krieg“, erzählt Petra Clemens und fügt hinzu: „Meist mit oder gegen die Franzosen.“ Wir erfahren etwas über die Verschiebung des Rheinbettes, das für die Beueler Geschichte wichtig ist und über das Verhältnis zur Stadt Bonn auf der anderen Seite.
Ungefähr dort, wo heute die Kennedybrücke anlandet, hatten 1583 bayerische Soldaten zur Unterstützung ihres kurfürstlichen Erzbischofs eine Befestigungsanlage gebaut, die sogenannte Beueler Schanze. Sie sollte Bonn den Rücken freihalten. Gut 100 Jahre später entstand an dieser Stelle das massive Fort de Bourgogne, erbaut von einem französischen Festungsbaumeister. Unter dem Kommando des Duke of Marlborough wurde das Fort eingenommen und für einen Angriff auf Bonn genutzt. Heute steht hier das sog. Mehlem`sche Haus, in dessen Keller sich angeblich noch Hinweise auf das Fort finden. Johannes Paul Mehlem hat das Haus Mitte des 18. Jahrhunderts für seine große Familie bauen lassen. Ein Schmuckstück, in dessen heute ruhigem Garten man erahnen kann, dass es sich um einen wohlhabenden Mann gehandelt haben muss. Tatsächlich war er einer der Fährbeerbten, bzw. Fährgerechtsame mit dem Recht auf den Betrieb einer Fähre. Damals verkehrte hier die Gierponte, auch „fliegende Brücke“ genannt. Nach wechselvoller Geschichte des Hauses hat seit mehr als 40 Jahren die städtische Musikschule hier ihren Sitz.
Wenn nicht gerade Krieg herrschte, dann pulsierte in Beuel das Wirtschaftsleben. Die riesigen sonnigen Wiesen am Rheinufer waren der perfekte Platz, um die groben Leinenstoffe aus dem Westerwald nach einem Bleichvorgang in der Sonne zu trocknen. Nach der Erfindung der Chlorbleiche entwickelte sich in Beuel die Wäscherei-Szene. Der „Beueler Duft“ war über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Vor 100 Jahren gab es hier um die 100 Wäschereibetriebe, die meisten von ihnen im Familienbesitz: Auf engstem Raum wuschen die Frauen und unterhielten sich dabei, so dass die „tratschenden Waschweiber“ bis heute ein Begriff sind. Die waren es dann übrigens auch, die – unzufrieden mit ihren manchmal unzuverlässigen Männern – sagten: Wir wollen wenigstens an einem Tag im Jahr keine Mannsbilder sehen. Der Weiber-Donnerstag war geboren, ist aber keine Beueler Erfindung. Vor dem Sitz der Firma Thiebes, einer der wenigen noch in Beuel vorhandenen großen Wäschereien, erzählt Petra Clemens so unterhaltsam, dass man die tratschenden Weiber förmlich hört.
Weiter geht die Tour vorbei an der katholischen Kirche Sankt Josef, die den protestantischen Preußen abgerungen werden musste. Unterwegs weist Petra Clemens auf die vielen „Stolpersteine“ hin – kleine Messingmahnmale in die Bürgersteige eingelassen. Sie erinnern an die jüdischen Mitbürger, die von den Nazis in die Flucht getrieben oder im KZ ermordet wurden. Das Denkmal am Standort der ehemaligen Synagoge erinnert bis heute an diese finstere Zeit im sonst so sonnigen Beuel.
Und dann kommt natürlich noch die Geschichte der Bonn-Beueler Brücke, die man die „Die Schöne“ nannte. 1898 eingeweiht, war sie voller Zierelemente und wunderschön anzusehen, aber sie landete auf der Beueler Seite „im Nirgendwo“. Oder besser gesagt nicht im damaligen Zentrum. Das hatte die rechtsrheinischen Bewohner erbost, sodass sie sich nicht in der geplanten Höhe an den Kosten für das Bauwerk beteiligten. Die Bonner hängten zur Hähme das berühmte Brückenmännchen auf, das mit seinem Popo Richtung Beuel zeigte. Wer heute auf der Bonner Seite der Kennedybrücke am Pfeiler genauer hinschaut erkennt: Heute weist der Sterz nach Süden Richtung Frankfurt, denn das hatte sich ja nach dem Krieg ebenfalls um den Titel Bundeshauptstadt beworben. Im März 1945 sprengte die Wehrmacht die Brücke kurz vor Kriegsende, und erst 1948 wurde sie auf den ursprünglichen Fundamenten neu errichtet.
Ob die Trennung Bonns durch den Rhein so wichtig war, wie lange Zeit die rechtsrheinischen Bahnschienen für Beuel? Die wurden im Rahmen der Industrialisierung gezogen und im deutsch-französischen Krieg besonders wichtig: Man brauchte sie für den Transport von Dynamit aus Troisdorf Richtung Koblenz und von dort über den Rhein an die Front. Hinter den Schienen entstand eine große Industrieansiedlung mit Tausenden Beschäftigten. Vieles wurde im Krieg zerstört, aber es gibt noch die ehemalige Jutefabrik, in der heute das Pantheon für tiefsinnigen Humor sorgt. Damals aber, als vor allem arme Menschen rund um den schönen Bau mit den schrecklichen Arbeitsbedingungen lebten, warnten die Eltern ihre Töchter: ,,Komm mir ja nicht mit einem von hinter der Bahn heim!"
Obwohl: Da liegt ja auch Pützchen, wo das Brünnchen als Wallfahrtsort für die Heilige Adelheid wichtig wurde - aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte, die man sich unbedingt anhören sollte. Petra Clemens erzählt auch die mit viel Hintergrundwissen, Witz und Liebe zum Detail.
Rechtsrheinisch, hinter der Bahn - aber auf jeden Fall auf der Sonnenseite von Bonn. Beuel ist voll mit Geschichte und Geschichtchen. Es lohnt sich, mal genauer hinzusehen und einzutauchen in die Schääl Sick. jöw
Entdeckungsreisen durch die Stadt
Statt Reisen Bonn ist Mitglied im Verband Forum Neue Städtetouren e.V. Der Zusammenschluss von 19 Statt-Reisen-Teams will sein Städte aus ungewohnten und spannenden Perspektiven zeigen. Im Infomaterial heißt es dazu: ,,Statt Reisen bedeutet, die Stadt und ihre Umgebung zu entziffern. So erfahren Sie auf den kleinen Entdeckungsreisen neben touristischen Besonderheiten auch Geschichten aus dem Alltagsleben der jeweiligen Stadt, die z. B. mit Hilfe von historischen Photos oder Anekdoten veranschaulicht werden." Infos über Stadtführungen von StattReisen Bonn zu Beuel, Pützchens Markt und anderen rechtsrheinischen Touren: www.stattreisen-bonn.de